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Von Zeitungsenten und Lokaljournalismus

Da lässt also der Direktor des Kriegsmuseums in Oslo eine Bombe platzen: Bei einem Gemälde, das Adolf Hitler zugeschrieben wird, habe er eine seltsame Wölbung auf der Rückseite entdeckt. Neugierig, wie ein Museumsdirektor zu sein hat, schaut er sich das Ungewöhnliche genauer an, schneidet es auf einer Seite auf, zieht den Inhalt vorsichtig heraus, es kommen einige Blätter mit Skizzen zum Vorschein. Diese zeigen Figuren, wie die Welt sie von Walt Disney her kennt. Pinocchio und andere. Alle signiert mit A.H.. Adolf Hitler also als Zeichner von Walt Disney? Hallo?

Die Meldung verbreitet sich weltweit in Windeseile, sogar die «NZZ» veröffentlicht die Sensation, von einer internationalen Presseagentur abgesetzt. Zu dumm, macht sich niemand die Mühe, den Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Weshalb auch? Wird schon stimmen. Abgesehen davon: Walt Disney hat Adolf Hitler mit seinem Cartoon «The Führers Face» und Donald Duck in der Hauptrolle lächerlich gemacht.

Es ist tatsächlich so, dass Walt Disney selber selten am Zeichenpult stand, dazu hatte er Profis. Es war auch seine Frau, die der berühmten Maus den Namen gab, Mickey. Walt dachte eher an Mortimer Mouse. Zurück aber zu A.H.: Einer der wichtigsten Zeichner zu Beginn der Walt-Disney-Story war ein Schweizer und hiess Albert Hurter. Merken Sie öppis? Mit einer süffisanten Mail melde ich mich bei der «NZZ» und den Berner Zeitungen. Korrigendum dessen, was man tags zuvor veröffentlicht hat? Fehlanzeige.

Und was lernen wir daraus? Je weiter weg etwas passiert, desto kleiner die Möglichkeit, den Wahrheitsgehalt einer Meldung zu überprüfen. Bei einer Lokalzeitung ist das anders. Wenn man schreibt, Frau Meierhans würde ihre schwarze Katze vermissen, dabei ist Schnurrli weiss, sind Leserbriefe vorprogrammiert.

Ich meine: Alle Medienschaffenden müssten zuerst ein Jahr in einer Lokalredaktion arbeiten, um ihr Handwerk zu von Grund auf anständig zu lernen. Übrigens: Mit seiner Zeitungsente hat der besagte Museumsdirektor sein Institut immerhin auf einen Schlag in die Weltpresse gebracht. Muss man auch können.

Der Autor
Thomas Bornhauser lebt in Wohlen und schreibt jedes Jahr einen Kriminalroman. Mit der gleichen Leidenschaft hat er auch mehrere Chäsereien-Führer geschrieben.
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