Bümpliz in den Kriegsjahren 1939 bis 1945
Während rund um die Schweiz die grosse Völkerschlacht tobte, blieb es in Bern, und damit auch in Bümpliz, verhältnismässig ruhig und friedlich. Die dramatischen Auswirkungen des Krieges machten sich – wenn auch in kleinem Rahmen – im täglichen Geschehen dennoch bemerkbar.

Fliegerabwehr Rekrutenschule Bümpliz mit Geschütz, Aufnahme 1941.
Der «Blitzkrieg» erreicht die Schweizer Grenze
Auch wenn ein Angriff der Wehrmacht auf Polen von zahlreichen westlichen Militärstrategen erwartet worden war, löste der Überfall am 1. September 1939 weltweit Entsetzen aus. In aller Eile begannen die Anliegerstaaten rund um Deutschland mit der Intensivierung von Kriegsvorbereitungen, insbesondere im Bereich der Rüstungsgüter und der Geländeverstärkungen in Grenznähe. Wo dies nicht der Fall war, betonten Staaten wie die Niederlande, Belgien, Luxemburg, aber auch die Schweiz ihre Neutralität – eine Aussage, die den deutschen Oberbefehlshaber nicht im geringsten interessierte!
Bereits neun Monate später, am 10. Mai 1940, gelang den deutschen Panzerverbänden ein ebenso überraschender wie riskanter Vorstoss durch die Ardennenwälder in die Nordostflanke des französischen Abwehrdispositivs. Die als unbezwingbar geltende Maginotlinie erwies sich als verwundbar. Nach sechs Wochen standen die deutschen Truppen nicht nur in Paris, sondern auch direkt an der Schweizer Grenze. Im damals bernisch/französischen Goumois bei Saignelégier standen sich auf der Brücke über den Doubs Schweizer Soldaten und deutsche Landser wortlos gegenüber. Ausgerechnet in Goumois, wo seit Menschengedenken sonntags die Schweizer Bevölkerung die Kirche ennet der Brücke und die französischen Kinder werktags die Schweizer Schule diesseits besuchten.
Die Stadt Bern beschafft sich eine eigene Fliegerabwehr
Die Schweizer Armee verfügte zu Beginn der Dreissigerjahre über ein stark reduziertes Waffenarsenal. Die politische Linke, geprägt von den Ereignissen des 1. Weltkriegs und den darauffolgenden Krisenjahren, verschloss sich trotz den zunehmend kriegerischen Tönen aus dem Norden den Anliegen zur Stärkung der Landesverteidigung. Es war im Wesentlichen der Verdienst der Bundesräte Minger (BGB, heute SVP), Obrecht (FDP) und Grimm (SP), die ihre ideologisch begründete Gegnerschaft abbauten und ein gegenseitiges Vertrauen schufen. Mit dem Abschluss eines Friedensabkommens zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften und einer massiv überzeichneten freiwilligen Wehranleihe im Jahr 1937 konnte die schweizerische Rüstungsindustrie hochgefahren werden. Dasselbe galt für den Bau von Geländeverstärkungen im Jura und in den Alpen sowie der Lagerung von Lebensmitteln, Treibstoffen und Rohmaterial für die Industrie. Angesichts der direkten Bedrohung der Bundesstadt als strategisches Ziel von Luftangriffen und Luftlandeoperationen – das Belpmoos galt als prioritäre Luftlandebasis – beschloss der Gemeinderat der Stadt Bern eine eigene Fliegerabwehr, die sogenannte «Ortsflab», aufzubauen. Zu diesem Zweck beschaffte er sich von der Waffenfabrik Bern sechs 34mm Flab-Kanonen; der Bund unterstützte das Vorgehen mit der Schaffung einer speziellen Rekrutenschule in Bümpliz. Und so erlebte die Bümplizer Bevölkerung während der Kriegsjahre jeweils nach Ertönen des Sirenenalarms die Detonation der schweren Geschütze. Allerdings muss nachgefügt werden, dass sich die Abwehr ausschliesslich gegen alliierte Bombengeschwader auf ihrem Weg nach Deutschland oder Italien richtete und es zufolge ungenügender Reichweite nie zu einem entscheidenden den Treffer kam. Fachleute zweifelten auch an der langsamen Schusskadenz, von der behauptet wurde, eine deutsche Messerschmidt ME 109 E3 könnte unbehelligt zwischen zwei Schüssen durchfliegen.
Autos im Bremgartenwald, Schiffe auf der Riedern
Selbstverständlich ist der Zwischentitel ebenso reisserisch wie falsch. Tatsächlich förderte der Bundesrat in den Kriegsjahren den Kauf und den Betrieb von Handelsschiffen auf den Weltmeeren, um den lebenswichtigen Import von Gütern in die Schweiz sicherzustellen. Der Kontakt zur Besatzung erfolgte über die «Küstenfunkstellen» Riedern (Empfangsstation) und Prangins (Sendestation). Obwohl weit und breit keine «Küste» in Sicht war, operierte der Kurzwellendienst während und nach dem Krieg einwandfrei. Angesichts der permanenten Bedrohung durch deutsche Unterseeboote kam es immer wieder zu Krisensituationen, die in geheimen Absprachen zwischen der deutschen und schweizerischen Armeeführung neutralisiert werden konnten. Ein Umstand, der auch dem amerikanischen Geheimdienstdienstchef Allan Dulles in der noblen Unterkunft an der Herrengasse in der Altstadt nicht entging und der die abgehörten Funkkontakte auf seine eigene Weise nutzte.
Der Bremgartenwald diente insbesondere zu Beginn der Mobilmachung als temporärer Standort für Requisitionsfahrzeuge und einrückende Truppen der Region Bern. Dabei bewährte sich das feste Telefonnetz, das vor dem Krieg für den Automobil-Grand-Prix verwendet wurde. Zudem wies das forstwirtschaftliche Wegnetz eine Unzahl von geheimnisvollen Kennzeichen und Wegweisern auf, die auf Munitionsdepots und Sammelplätze hinwiesen. Am Rande des Waldes befand sich auch das Geniematerial für den Bau einer Notbrücke über den Wohlensee.
«Frontisten» in Bümpliz
Die «Erneuerungsbewegung» nationalsozialistischer Kreise in Deutschland fand in der Stadt Bern vereinzelt Sympathisanten, wenngleich es den sogenannten «Frontisten» – im Gegensatz zu den Städten Genf und Zürich – nicht gelang, sich politisch zu etablieren. Immerhin benutzten sie für ihre gelegentlichen Veranstaltungen, zu denen Redner aus Deutschland eingeladen wurden, bis 1943 auch den grossen Casinosaal, der jeweils ganz unverfroren mit Hakenkreuzfahnen dekoriert wurde. In der traditionell eher linken Bevölkerung von Bümpliz wurden vereinzelte Gewerbetreibende, die man dem Nazi-Lager zuordnete, scharf beobachtet. Es fiel auch auf, dass in jenen Geschäften trotz Rationalisierung immer wieder Produkte aus Deutschland und der Tschechoslowakei zu finden waren. Immerhin kam es mit Ausnahme einer Demonstration im September 1945 gegen einen mutmasslichen Bümplizer Nazi zu keinen gewalttätigen Auseinandersetzungen. Nicht zuletzt unter dem Eindruck der geistigen Abwehrbereitschaft gegen gesellschaftliche und politische Einflüsse der «Frontisten» kam es am 17. August 1944 im Restaurant Nord-Bahnhof in Bümpliz zur Gründung der ersten Sektion der neuen kommunistischen Partei der Arbeit (PdA).
Export-Häuser für das zerstörte Deutschland
Ab 1942 intensivierten die alliierten Truppen ihre Bombardierungen auf deutsche Städte und Anlagen der Rüstungsindustrie. Schweizer Zeitungen und das Radio berichteten über die schweren Zerstörungen und die obdachlose Zivilbevölkerung. In dieser Situation reifte in Bern der Gedanke eines kostengünstigen Holzbausystems für Häuser, die sowohl in der Schweiz, aber explizit auch im zerstörten Deutschland für Abhilfe gesorgt hätten. Die «Genossenschaft für bernische Export- und Siedlungshäuser» errichtete zu diesem Zweck in Zusammenarbeit mit der Einwohnergemeinde Bern 1945 an der Wangenstrasse 95/97 und 111-117 eine Wohnkolonie mit vier Vierfamilienhäuser und zwei Doppeleinfamilienhäuser. Die Häuser zeigten eine exemplarisch kompakte und sparsame Disposition und wurden in der Fachpresse gelobt. Die als «Export-Siedlung» bekannte Anlage gehörte zu den wenigen in der Schweiz realisierten Beispielen kriegsbedingter Versuche zum standardisierten und industrialisierten Bauen; für die Bautechnik war sie deshalb von hoher Bedeutung. In Bümpliz hielt sich die Begeisterung in Grenzen und die Häuser wurden despektierlich auch «Baracken» genannt. Die Bemühungen um den Export in kriegsversehrte Länder schlugen ebenfalls fehl. Sicher mag eine Rolle gespielt haben, dass sich der Grossteil der Zerstörungen auf die Städte konzentrierte, während die ländlichen Gebiete – die sich naturgemäss besser für die Kleinbauten geeignet hätten – weitgehend verschont blieben. Im Zug einer Neunutzung des von Bahn, Autobahnviadukt und Wangenstrasse stark beengten Terrains wurden die Bauten im Winter 2000 abgerissen. Die Bemühungen der städtischen Denkmalpflege zu deren Erhaltung wurden abgelehnt.
Wo bitte, geht der Weg nach Bümpliz?
Nach der Mobilmachung zu Beginn des Zweiten Weltkriegs kam der Autobusbetrieb in der Stadt Bern fast zum Erliegen. Vierzig der vorhandenen fünfundvierzig Busse wurden samt Personal requiriert und für Truppentransporte eingesetzt. Mit einem verbliebenen Fahrzeug konnte auf der Bümplizer Linie der 30-Minuten-Betrieb aufrechterhalten bleiben. Um eine möglichst nahe Anbindung an potenzielle Fahrgäste zu ermöglichen, verkehrte zu Beginn des reduzierten Streckennetzes der Bümplizer Bus von der Insel nach Ausserholligen, von dort via Steigerhubelstrasse unter den Gleisanlagen des Güterbahnhofs Weyermannshaus an die Murtenstrasse. An der Verzweigung Murtenstrasse/Bümplizstrasse kam es dann vereinzelt auch zum heiteren Rätselraten: Die tüchtigen, wenngleich auch mangelhaft instruierten Militärfahrerinnen verfügten kaum über detaillierte Ortskenntnisse und mussten sich zum Gaudi der Passagiere gelegentlich bis zum Ziel bei der Post Bümpliz durchfragen.

Nothäuser an der Wangenstrasse, Aufnahme 1945 (Foto: Stadtarchiv)
Der Autor
Max Werren ist ehemaliger Inhaber einer Kommunikations-Agentur und einstiger ehrenamtlicher Co-Orts-archivar von Bümpliz. Er ist Verfasser zahlreicher Publikationen, darunter der «Bümplizer Geschichte(n)». Zudem ist Werren Präsident von «Kultur Schloss Bümpliz».