Das Berberpferd, «der einzige Hund, den man reiten kann»

An der Matzenriedstrasse 130, in ländlich-idyllischer Gegend ganz im Westen Berns, betreibt Daniela Stettler seit 15 Jahren die Berberzucht «Arîj El Fouad», was soviel heisst wie «Duft der Leidenschaft». Diese Passion ist bei jedem Wort zu spüren, wenn die «Pferdeflüsterin» erzählt.

Schon im zarten Alter von vier Jahren begann sich Klein-Daniela für Pferde zu begeistern. Neben ihrem Elternhaus befand sich ein Restaurant, wo sich auch Hochzeitsgesellschaften bewirten liessen. So kam es, dass ihr Vater die Vierjährige während eines solchen Fests plötzlich auf einem Kutschenpferd sitzend wiederfand. 

Die Kutsche mit den Pferden stand direkt vor der Haustür. Da war es um das Mädchen geschehen. «Von da an liessen mich die Pferde nicht mehr los. Diese Tiere strahlen Eleganz, Kraft und Schönheit aus», schwärmt die heute 53-Jährige. Nicht die einschlägigen Pferderomane für Teenager infizierten sie mit dem Pferdevirus, nein, mit elf Jahren nahm sie Reitunterricht und vertiefte sich in Fachliteratur. «Mich interessierte immer das Verhalten, nicht die Romantik, diese hat nichts mit Pferden zu tun», sagt Daniela Stettler dezidiert.

Geschundenen Pferden das Vertrauen geben
Zurzeit beherbergen die geräumigen Ställe von Daniela Stettler 41 Pferde, davon  etwa 16 Pensionspferde von Kunden, welche zuhause nicht die nötige Infrastruktur haben. Diese Pferde werden von der Pferdeexpertin artgerecht gehalten, gefüttert und auf die Weide gebracht. Das Pensionsgeld bewegt sich bei 700 Franken pro Tier und Monat. Daniela Stettler arbeitet regelmässig mit Praktikantinnen und Praktikanten. Dabei hat sie festgestellt, dass die jungen Menschen durch ihre Arbeit mit den Pferden charakterlich stabiler werden. «Nur ein Pferd, das sich wohlfühlt, ist bereit, mit uns zusammenzuarbeiten.» Ailen, geboren in Argentinien und heute argentinisch-schweizerische Doppelbürgerin, arbeitet seit 2017 auf dem Stettler-Hof als versierte Pferdepflegerin und vertritt die Besitzerin bei deren Abwesenheit. 

Züchtet Berberpferde in Berns Westen: Daniela Stettler-Niffeler. Fotos: Peter Widmer

Daniela Stettler importiert regelmässig Berberpferde aus Marokko. Diese Tiere seien oft verunsichert und sie möchte ihnen das Vertrauen zu den Menschen zurückgeben. Warum verunsichert? «Die Bauern, die in Marokko Pferde besitzen, sind nicht reich und benutzen die Pferde als Nutztiere für den Ackerbau und den Transport. Wenn das Tier müde oder abgemagert ist, wird es oft durch Schläge zur Arbeit gezwungen. Wenn das Pferd nicht arbeitet, dann hat die Familie nichts zu essen, es ist also ein Kampf ums Überleben. Das ist die traurige Realität», weiss Daniela zu berichten.

Bis heute habe sie jedem importierten Pferd das Vertrauen in den Menschen wieder zurückgeben können. «Es gibt Tiere, die habe ich in zwei Monaten korrigiert, andere wiederum benötigen drei Jahre. Aber es gelingt immer», ereifert sich Daniela. Es sei eine Frage der Leidenschaft im Interesse des Tieres, «das sind wir ihm schuldig.»

Ausgeglichen und extrem wendig
Was fasziniert Daniela Stettler an der Berber-Rasse? «Ich bin zum Berberpferd gekommen wie die Jungfrau zum Kind», lacht sie. «Vor Jahren kaufte ich zusammen mit einer Kollegin ein Pferd, das man uns als Araber anpries. Nach einem Jahr stellte sich heraus, dass es sich um einen Araber-Berber handelte.

Es gibt zwei Rassen, den reinen Berber und eben den Araber-Berber. Ich habe noch selten ein so temperamentvolles Pferd erlebt, ich war hin und weg», erinnert sich Daniela Stettler. Das Berberpferd sei charakterstark, mutig, ausgeglichen, menschenbezogen und trittsicher, was es zum idealen Familien- und Reitpferd werden lasse. Der Berber sei mit einem Hund zu vergleichen, weil er ähnlich reagiere. In der Heimat des Berberpferdes, dem Maghreb, werde es auch gerne als «einzigen Hund, den man reiten kann», bezeichnet. 

«Es wird sich immer über einen schnellen Galopp mit seinem Menschen freuen. Trotzdem ist es nicht zappelig oder nervös. Auch optisch gefällt mir das Pferd, es figuriert unter der Kategorie ‹Barockpferde›. Wenn Besitzer und Berber zusammenpassen, geht das Pferd für dich durchs Feuer», ist Daniela Stettler überzeugt.

Zusammenwachsen von Mensch und Tier
Daniela Stettler importiert und züchtet nicht nur Berberpferde, sondern verkauft sie auch, ausgenommen die Zuchthengste und die Zuchtstuten. Worauf achtet sie bei einem potenziellen Käufer? «Der künftige Besitzer muss dem Pferd gefallen», dies die klare Ansage der Fachfrau. Wenn sich das ausgesuchte Pferd freue, wenn die Interessentin komme, seien die Voraussetzungen gut. «Wendet sich das Tier aber ab und verdrückt sich in eine Ecke, sind das schlechte Vorzeichen», hält die Pferde- und Menschenkennerin fest. «Einer zurückhaltenden, vorsichtigen Person verkaufe ich ein Pferd mit ruhigem, sicherem Charakter, welches zuerst denkt und dann reagiert.» Es sei nicht selten, dass sich ein Kunde beispielsweise für ein ausgewachsenes Pferd mit Spezialfarbe interessiert habe und dann mit einem schwarzen Fohlen nach Hause fuhr. 

Ein Herz und eine Seele: Daniela Stettler-Niffeler und ihre Pferde.

Daniela Stettler bietet auch eine Art Coaching an, bis sich Mensch und Tier gefunden haben und sich ihre Beziehung gefestigt hat. «Das Zusammenwachsen von Mensch und Pferd kommt nicht von heute auf morgen und dauert oft einige Monate», sagt sie. Die Arbeit mit einem Pferd erfordere genügend Zeit, und zwar immer soviel wie ein Tier benötige, um ein Ziel zu erreichen, bekräftigt Daniela Stettler. Das Pferd bestimme den Zeitplan. Für den Kauf eines ausgewachsenen Berberpferdes mit den entsprechenden Zerti­fikaten muss der Pferdeliebhaber mit 12 000 bis
15 000 Franken rechnen.

Nach den schönsten Momenten mit Pferden befragt, überlegt Daniela Stettler nicht lange und gibt ein Beispiel: «Ein geschundenes Pferd aus Marokko kommt zu uns, mit abgelöschten, traurigen Augen, verhält sich angriffig und misstrauisch. Dann arbeite ich mit diesem Tier einen Monat lang und es begegnet mir eines Morgens im Stall mit wachem, erwartungsvollem Blick, dann ist das für mich der schönste Augenblick, den ich erleben darf. Dann befinden wir uns auf der gleichen Ebene, wir haben uns gefunden, vertrauen uns gegenseitig und können nun erfolgreich zusammenarbeiten.» 

Daniela Stettler erzählt von der Stute Serenata, mit welcher sie am Tag unseres Besuchs ein Erfolgserlebnis erfahren durfte: «Ich probierte mit ihr während langer Zeit zigmal erfolglos, an der Longe eine Figur zu traben, sie fiel immer aus dem Takt. Heute gelang es auf Anhieb perfekt, das ist ein Geschenk», strahlt die Pferdekennerin mit leuchtenden Augen.

Zur Person

Daniela Stettler (53) ist in Fischenthal im Zürcher Oberland aufgewachsen. Nach der Lehre als kaufmännische Angestellte arbeitete sie als Übersetzerin und Direktionsassistentin in verschiedenen Unternehmen. Parallel dazu züchtete sie während 26 Jahren Pferde. Seit 2015 widmet sie sich hauptberuflich der Pferdezucht. Daniela Stettler ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann in Matzenried. 

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