Unter dem schwarz-weissen Auge steht der Spruch: «Ich sehe was, was du nicht siehst». Foto: Marc de Roche

Wer hat dort diese rote Fahne hingehängt?

Fussgänger und andere Verkehrsteilnehmer am Zentrumskreisel von Bümpliz staunten nicht schlecht. Da hing doch eines Morgens plötzlich gut sichtbar eine rote Fahne an einem Kandelaber. Sinn und Zweck dieser Beflaggung sind nicht gleich ersichtlich. Eine BümplizWoche-Leserin findet das Ganze «very strange!» und bittet um Aufklärung

So stellte sich unser BümplizWoche-Reporter Marc de Roche bei beissender Kälte an den Kreisel und fragte die Passanten nach der Bedeutung dieser Fahne.

Die Frau im blauen Mantel war sich sicher: «Das Bild zeigt Gottes Auge. Das soll die Leute zu einer Sekte locken, wenn man der Fahne folgt. Die machen sowas.» Klare Sache für den Rentner vor der Apotheke: «Rot! Das sind sie Sozis. Wohl schon die erste Wahlwerbung.» Der Rotkreuzfahrer zögerte, mutmasste dann «SP oder Augenoperation!» und fuhr weiter. Ein E-Bike-Fahrer war anderer Meinung: «Das ist Werbung für einen Optiker. Die Fahne zeigt Richtung Käser oder Lüthi.»

Der Fahrer der Buslinie 27 gestand: «Da habe ich keine Ahnung. Fragen Sie in der Bibliothek. Dort wissen sie alles, was im Dorf geschieht.» Das war aber in diesem Fall nicht ergiebig. Die Bibliothekarinnen Karin Naville und Susan Lüthi wussten nichts von dieser Aktion. «Es könnte Kunst sein!». Kunst in Bümpliz? Da ist doch immer die Kunstachse der Stiftung B beteiligt. 

Doch die Geschäftsführerin Jaelle Eidam winkt ab. «Wir haben nichts damit zu tun. Aber vielleicht ist es eine Kampagne der Stadt Bern. Es könnte um die Sichtbarkeit im Verkehr gehen.» Verkehrssicherheit?

Kommen wir der Sache näher?
Marc Kipfer, der Mediensprecher der Beratungsstelle für Unfallverhütung, schüttelt den Kopf. «Das Augen-Sujet ist uns unbekannt, es stammt nicht von der BFU.» Bleibt die Polizei. Auf der Polizeiwache Bümpliz desinfizieren wir uns die Hände und fragen, was dort über diese Fahnenaktion bekannt ist. Gleich drei Ordnungshüter versuchen zu helfen. Alle tippen auf Kunst, sagen aber ganz bestimmt: «Wann es etwas Legales ist, dann gibt es eine Bewilligung des Verkehrsinspektorates.» Und so ist es.

Rolf Vögeli von der Orts- und Gewerbepolizei, Bereich Veranstaltungsmanagement, Kundgebungen und Vollzug, erklärt: «Die Fahne steht im Zusammenhang mit dem Projekt Shared Spaces in Change, einer Kooperation der Kommission für Kunst im öffentlichen Raum der Stadt Bern mit dem Kornhausforum und dem Architekturforum.» 

Franziska Burkhardt, die Kulturbeauftragte der Stadt Bern, bestätigt: «Die Fahne weist auf ein Projekt der beiden Berner Kunstschaffenden Regula Bühler und Magdalena Nadolska hin. An 18 Standorten befragten die beiden Frauen verschiedene Kinder zur Gestaltung des öffentlichen Raums, im Westen von Bern auf dem Europaplatz, vor der Post Bümpliz und auf dem Ansermetplatz.» 

Urbane Stadtzentren werden von Erwachsenen konzipiert und gebaut, sie sind darauf ausgerichtet, die Bedürfnisse von Erwachsenen abzudecken. Kinder werden dabei meist nicht mitbedacht. In kurzen Hörstücken erzählen über 70 Kinder aus Bern und Umgebung, wie sie die Plätze und Begegnungszonen der Stadt wahrnehmen: «Ich sehe was, was du nicht siehst».  Beim Zuhören können Erwachsene die Ideenwelt der Kinder erkunden und bekommen die Möglichkeit, ihre eigenen Gewohnheiten und Bewegungsströme im öffentlichen Raum zu hinterfragen.

Diese Hörstücke sind in der Ausstellung und auf der Website des Kornhausforum abrufbar. Sie sind auch Teil des Radio- und Podcast-Festivals «Sonohr», das Ende Februar stattfindet.

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