Der südliche Eingang des Fellerstocks mit Säulen und Treppe. Fotos: R. Burkhart
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Die bewegte Geschichte des Fellerstocks

Von den vier Bümplizer Herrschaftssitzen Altes und Neues Schloss, Brünnenschlössli und Fellerstock weist letzterer den geringsten Bekanntheitsgrad auf.

Das mag am Umstand liegen, dass die Campagne inmitten seines prächtigen Baumbestandes sowohl von der benachbarten Bümpliz-, als auch von der Heimstrasse kaum einsichtbar ist. Gleichzeitig weist der Name auch darauf hin, dass der seinerzeitige Besitzer Karl Feller eine bis in die heutige Zeit reichende Bedeutung genoss.

Der Erbauer als Spross einer mächtigen Familie
Viktor von Erlach I. (1648 - 1730) gilt als mutmasslicher Erbauer des ersten einfachen Landhauses. Als Sohn des letzten Besitzers des (Alten) Schlosses musste er erleben, dass sein Vater Franz Ludwig von Erlach wegen eines Raufhandels mit tödlichem Ausgang ausser Landes verwiesen wurde und das Schlossgut verkaufen musste. Ganz offensichtlich fühlte sich Sohn Viktor dem einfachen Bauerndorf Bümpliz so verbunden, dass er seinen Wohnsitz am Standort seiner Kindheit belassen wollte. Als Angehöriger des bedeutenden Berner Adelsgeschlechtes leistete er Militärdienst am französischen Hof, war Landvogt von Aarberg und Sumiswald. Er überlebte alle seine Söhne, Brüder und Neffen. 

1738 erwarb Samuel von Jenner, Brigadier und Maréchal de Camp in französischen Diensten das Haus und gestaltete es im Stil des Spätbarocks um. Als er 1774 zum Landvogt von Romainmôtier ernannt wurde, verkaufte er den als «Stock» bekannten Sitz an Beat Rudolf Tscharner, Landvogt zu Nidau und Salzdirektor. Vermutlich aus dieser Zeit stammt der Flurname «Tscharnergut». Der wohlhabende Tscharner erwarb nicht nur das Landhaus – den heutigen Fellerstock – sondern auch die landwirtschaftlich genutzte Fläche bis an den Rand des heutigen Eichholzwaldes. 

Das Ende des Ancien Régime und die darauffolgenden wirtschaftlichen und politischen Unsicherheiten hatten zur Folge, dass der Besitz in spekulativer Weise oft kurzfristig in wechselnde Hände überging. Auf diese Weise erwarb 1857 Frau Marie Ninet-Lukmaggi (von Genf und Aubonne) das Landhaus samt Umgebung. Unter ihrer Regie erfuhr das Gebäude eine entscheidende Erweiterung. Die Aufstockung durch ein Geschoss erforderte eine neue Dachgestaltung und die südliche Front erhielt einen toskanisch anmutenden Vorbau mit Säulenperistyl und Freitreppe. Der Park wurde von seinen strengen geometrischen Mustern befreit und präsentierte sich ab diesem Zeitpunkt als «englische» Gartenanlage mit Springbrunnen und Rondell. Eine prächtige Allee führte in nördlicher Richtung bis an die Murtenstrasse (Aufhebung durch den Bau der Eisenbahnlinie Bern-Neuenburg 1901 bzw. durch den Bau des Tscharnerguts 1958); der südliche Teil bis an die Bümplizstrasse ist bis heute erhalten. Ein Teil der alten Umfassungsmauer sowie die Kalksteinpostamente als Eingang zur Allee sind an der Bümplizstrasse noch sichtbar.

Der Name Fellerstock entsteht
Im Jahre 1877 erwarb der Geometer Karl Feller das herrschaftliche Gebäude samt dem benachbarten Gutshof und die ausgedehnte Fläche des heutigen Tscharnerguts. Der Name Fellerstock bürgerte sich rasch ein. Fast gleichzeitig konnte sein Bruder Gottfried, Bauer vom Rehhag, durch Heirat mit Elisabeth Sahli das angrenzende Bethlehemgut übernehmen. Die beiden Brüder gehörten fortan zu den reichsten Landbesitzern der Bauerngemeinde Bümpliz. 

Karl Feller absolvierte das staatliche Lehrerseminar in Münchenbuchsee, entschloss sich allerdings nach zwei Jahren zum Berufswechsel. Er wählte jenes Arbeitsfeld, das sein Vater – ebenfalls Lehrer in Bümpliz – schon im Nebenamt ausübte, nämlich Geometer. Nebst seinem auf Präzision und Detailtreue ausgerichteten Berufs wies Karl Feller auch eine Begabung für innovative und kommerziell erfolgreiche Nebenbeschäftigungen auf. Sein 1878 publizierter Übersichtsplan der Gemeinde Bümpliz diente über Jahrzehnte als Grundlage für Landverkäufe, Zusammenlegungen oder Neunutzungen. Die genauen Kenntnisse über Landbesitz und -werte nutzte er für spontane Arrondierungen seines Besitzes. Bei Erbstreitigkeiten fungierte er oft als Vermittler; manchen Streit schlichtete er durch einvernehmlichen Kauf der Hinterlassenschaft. 

In seinen späteren Jahren wandte er sich vermehrt der Politik und der Wirtschaft zu. Als Gemeinderat von Bümpliz förderte er die Erschliessung seines Dorfes durch den Ausbau der Strassen und der Kanalisation. In der langwierigen Planungsarbeit für den Bau einer Eisenbahnlinie Bern-Neuenburg spielte er eine wichtige Rolle. Auf sein Anraten entschied sich die Eisenbahndirekt-ion für den Bau eines Bahnhofs auf seinem Besitztum, unweit des Fellerstocks, und nicht wie vorgesehen auf der Höhe des heutigen Bahnübergangs an der Brünnenstrasse. Der Grund für diesen Entscheid lag in der Absicht von Feller, das heutige Tscharnergut in ein Industrie- und Gewerbequartier umzuwandeln. Zu diesem Zweck liess er durch das Eisenbahnunternehmen ein 200 Meter langes Industriegleis ab dem Bahnhof bauen. Auf seine Kosten erstellte er einen Gewerbebau für ein Unternehmen der Möbelbranche (A. Pfluger & Cie. AG). Dieser Betrieb blieb indes die einzige industrielle Ansiedlung und das Tscharnergut gehörte bis zum Bau der Grossüberbauung in der Landwirtschaftszone. 

Die Wandskulptur mit exotischem Motiv.

Die Ehe von Karl Feller und seiner Gattin Anna Marie Feller-Sahli blieb kinderlos. Ihrem Neffen Adolf Feller (1879-1931), Sohn des Bruders und Schwagers Gottfried, vermachten sie testamentarisch die Liegenschaft. Den Bauernsohn Adolf zog es indes weg von Landwirtschaft und Bümpliz-Bethlehem. Nach Abschluss einer kaufmännischen Lehre in Les Verrières ging er ins Ausland, zuerst für drei Jahre nach England, anschliessend von 1900 bis 1908 nach Sizilien. In die Schweiz zurückgekehrt, kaufte er in Horgen am Zürichsee ein kleines Unternehmen für Elektroinstallationen. Seine Tochter Elisabeth baute den Betrieb zu einem führenden Anbieter im Bereich der Schalter, Steckdosen und Steuerungen für Licht und Kommunikation aus. 

Die andere Tochter von Adolf Feller, Katharina, verheiratete sich mit dem Verleger Albert Züst. Anfänglich noch im Fellerstock, verlegten die beiden ihren Wohnsitz später ins Zürcher Oberland. Ihre fünf Kinder, insbesondere aber die Töchter Brigitta, Anna Barbara und Susanna, blieben im Kontakt zum Fellerstock und zur Pächterfamilie Hofer. 1968 verkaufte die Erbengemeinschaft Züst den Fellerstock an die Stadt Bern. Die nachträglich geäusserte Absicht der städtischen Behörden, das schmucke Herrschaftshaus abreissen und durch ein modernes Schulhaus zu ersetzen, erfüllte sie mit grossem Bedauern. Sie setzten sich mit Exponenten der Bümplizer Gesellschaft sowie dem Kunsthistoriker Prof. Paul Hofer für den Erhalt der Campagne und des Parks ein. Mit einem namhaften Verzicht auf den Verkaufserlös trugen sie wesentlich dazu bei, dass das Kleinod erhalten blieb und heute als Schulhaus für Kleinkinder und als Musikschule genutzt werden darf.

Die seltsame Wandskulptur an der südlichen Fassade
Anlässlich des Totalumbaus zwischen 1857 und 1860 durch die neue Besitzerin Marie Ninet-Lukmaggi entstand wie bereits erwähnt, ein Säulenportal mit einem darüber liegenden Balkon. In der Mitte der laubenartigen Wölbung ist eine Kartusche mit einer – für bodenständige Bümplizer Gepflogenheiten – seltsam exotischen Darstellung einer offensichtlichen Insel, einem vulkanähnlichen Berg sowie einer Palmengruppe angebracht. 

Ob die Bauherrin Ninet-Lukmaggi – über deren Lebenslauf im Übrigen kaum etwas bekannt ist – ein Faible hatte für Südseeinseln oder ob sie vielleicht angetan war von dem im Jahre 1719 erschienenen Buch «Robinson Crusoe» von Daniel Defoe, ist nicht überwiesen. Mithin ein Grund, einen nächsten Spaziergang in diesen kleinen verträumten Bümplizer Park zu planen und bei dieser Gelegenheit einen Blick in ferne Welten zu erhaschen!

Der Autor
Max Werren ist ehemaliger Inhaber einer Kommunikations-Agentur und einstiger ehrenamtlicher Co-Orts-archivar von Bümpliz. Er ist Verfasser zahlreicher Publikationen, darunter der «Bümplizer Geschichte(n)». Zudem ist Werren Präsident von «Kultur Schloss Bümpliz». 

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