Beinahe «tout Berne» lernte bei ihm Tennis spielen

Fast 50 Jahre sind vergangen, als der EHC Rot-Blau, gespickt mit einer Reihe talentierter junger Eishockeyspieler, an die Tür zur Nationalliga klopfte. Tempi passati. Die vergangene Saison schlossen die Bümplizer in der 2. Liga auf dem letzten Platz ab.

Dass das Team aus Berns Westen damals gegen Villars in einem Entscheidungsspiel knapp den Kürzeren zog, lag vor allem daran, dass bei Rot-Blau lauter Amateure in der Mannschaft standen – im Gegensatz zum Team aus dem Ferienkurort, das dank der finanziellen Unterstützung der Pariser Mäzenin Janine Potin (besser bekannt als «Madame Potin»), über Spieler verfügte, die entlöhnt wurden und in den Jahren 1963 und 1964 den Titel gewannen. Captain der Rot-Blauen war Mittelstürmer Jürg Siegrist, der in einer anderen Sportart schon zuvor für fette Schlagzeilen gesorgt hatte.

Aufgewachsen an der Jubiläumsstrasse bekundete Klein-Jürg Mühe, sich für eine einzige Sportart zu entscheiden. Die Ka-We-De, wo der SCB 1959 und 1965 seine ersten Meistertitel feierte, liegt genau so in Griffnähe wie die Tennisclubs Dählhölzli und Bellevue. In dieses Dilemma rutschte der Fünfjährige Jürg Siegrist. Lief er durch den Garten, musste er nur das Tor öffnen, um auf den Sandplätzen des TC Bellevue zu stehen. Und 100 Meter weiter unten gelangte man via TC Dählhölzli auf die Ka-We-De.

So kam es, dass er als Ballboy amtete und die Filzkugel unermüdlich gegen die Ballwand schlug, wenn sich Vater und Mutter nach getanem Sport ein Bier gönnten. Mit zwölf Jahren war er bereits TC-Bellevue-Klubmeister und wurde von Tanz- und Tennislehrer Paul du Bois, dem Besitzer des grösseren und ambitionierteren TC Dählhölzli, entdeckt und zu einem Klubwechsel überredet. Damit begann eine der erfolgreichsten Schweizer Tennis-Karrieren der späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahre.

Jürg Siegrist als Eishockey-Spieler beim EHC Rot-Blau …

… und als Tennis-Spieler.                                                                                                                           Fotos: zvg

Interklub-Meister mit Dählhölzli
«Ich spielte damals als Jüngster in einer Equipe, die Interklub-Meister wurde», erinnert sich Jürg Siegrist. Die Karriere des Berners gipfelte in einem Titel als Schweizermeister, einer Selektion ins Davis Cup-Team, wo er gegen Irland im Einzel und Doppel zum Einsatz gelangte und zu diversen Auftritten am damals schon populären Gstaader Turnier, dem «Wimbledon der Alpen».

Das Duell mit Grand Slam-Sieger Bob Lutz

«Vor allen ein Spiel ist mir in Erinnerung geblieben. Gegen Bob Lutz, den Doppelpartner von Stan Smith und fünffachen Grand Slam-Sieger, lag ich auf dem Center Court im ersten Satz 5:3 vorne, als der damalige ‹Bund›-Berichterstatter verspätet eintraf und lautstark von seinem Presseplatz aus verkündete, ‹schaut mal, der Siegrist hat schon drei Games gewonnen…›»

Während seiner Tennis-Karriere absolvierte Jürg Siegrist eine Lehre als Heizungszeichner, doch als die Anfrage des TC Rotweiss eintraf, ob er nicht Unterricht geben möchte, entschied sich der Spitzenspieler, sein Hobby zum Beruf zu machen. «Ich war während vielen Jahren in zahlreichen Klubs tätig, Rotweiss, Bellevue, Dählhölzli, Sporting, Krone Muri, TC Muri ebenso wie in den Tennishallen Sagi und Tivoli», berichtet der Mann mit der feinen Hand, der vielen prominenten und weniger prominenten Bernerinnen und Bernern den Stoppball oder den kaum mehr vom Boden aufspringenden Slice beigebracht hat.

Weil sein Vater Hans, später TK-Chef, in den Dreissigerjahren beim SCB aktiv war, wagte sich auch Jürg Siegrist aufs Ka-We-De-Eis. Und so wurde aus dem Tennis-Schweizermeister auch ein begabter Eishockeyaner.

Heute in La Sella
Seit dem Jahr 2000 hat Jürg Siegrist zusammen mit seiner Frau Johanna Bern den Rücken gekehrt. «Ich war immer im Frühling und Herbst mit Berner Tennisspielerinnen und -Spielern auf Mallorca oder in Denia und leitete Tenniswochen. Eines Tages entschieden wir uns, unsere Zelte ganz nach Spanien zu verlegen und wohnen nun seit 22 Jahren in La Sella, unweit von Denia.» Lange führte Siegrist weiterhin Tenniswochen durch, weihte auch Anfänger in die Geheimnisse des Golfsports ein, den er heute zusammen mit seiner Gemahlin immer noch pflegt. Mit Handicap 15 kam schon bald Jürg Siegrists Ballgefühl zum Vorschein und er erreichte eine Spielstärke, von der viele Hobbygolfer ihr Leben lang träumen. So geniesst der ehemalige Tenniscrack, der vor acht Jahren anlässlich der Davis Cup-Partie gegen Kasachstan in Genf von Swiss Tennis-Präsident René Stammbach eine verdiente Ehrung erfuhr, nun die Sonne Spaniens. 

Zur Person
Jürg Siegrist wurde am 22. Mai 1943 in Bern geboren. Er war einer der stärksten Schweizer Tennisspieler in den späten Sechziger- und Siebzigerjahren. Im Eishockey war er Captain von Rot-Blau. Seit 2000 lebt er mit seiner Frau Johanna in La Sella (Sp).

vorherige Geschichte

Ein Apéro im Zeichen der Sicherheit

nächste Geschichte

Neue Hochbauprojekte in Bethlehem und Brünnen

Weitere Artikel in der Kategorie Sport