Die Gemeinde Wohlen zählte Ende 2021 9357 Bewohnerinnen und Bewohner. Rund 4500 davon wohnen in Hinterkappelen. Grund genug, sich mit Gemeindepräsident Bänz Müller über den Ortsteil zu unterhalten.
Bänz Müller, was sollte jemanden dazu veranlassen, nach Hinterkappelen zu zügeln?
(Schmunzelt) Hinterkappelen ist ein idealer Wohnort. Er liegt nahe von Bern, ist mit dem ÖV hervorragend erschlossen und mit dem Fahrrad durch den «Bremer» ist die Hauptstadt schnell erreichbar. Hinterkappelen selbst bietet alles, was der Alltag braucht: Schulen, Einkaufsmöglichkeiten, Restaurants, verkehrsfreies Quartier, Arzt, Zahnarzt, Coiffeur und vieles andere auch. Es ist alles da, was im täglichen Leben benötigt wird. Sozusagen als Supplement liegt das Naherholungsgebiet Wohlensee/Frienisberg ebenfalls nahe.
Martin Freiburghaus aus Hinterkappelen ist seit März mehrfach mit Hilfslieferungen in die Ukraine gefahren. Wurde er dabei von der Gemeinde unterstützt?
Zuerst einmal: Das Engagement von Martin Freiburghaus und seiner Familie kann nicht hoch genug geschätzt werden. Seine Aktionen wurden tatsächlich von der Gemeinde ein wenig unterstützt. Wir haben ihm eine Garage zur Zwischenlagerung zur Verfügung gestellt und bei unseren Mitarbeitenden Lebensmittel gesammelt. Und: Die Gemeinde hat dem Ukrainischen Verein Schweiz einen stattlichen Betrag für die Ukrainehilfe überwiesen.
Und die Gemeinde, hat sie eigene Aktivitäten realisiert?
Ja, wir haben sehr schnell, ab März 2022, eine eigene Schulklasse für Kinder aus der Ukraine eingerichtet – ohne den langwierigen Prozess der kantonalen Bewilligung abzuwarten. So hatten ungefähr 20 Kinder aus der Ukraine von Beginn an einen geregelten Alltag. Wir haben eine ukrainische Lehrerin eingestellt und dieser Frau damit gleichzeitig ein geregeltes Einkommen für sie und ihre Kinder ermöglicht. Und: Wir haben eine neue, befristete Stelle «Koordination Ukraine» geschaffen für die ukrainischen Landsleute in den Gemeinden Wohlen, Frauenkappelen, Meikirch, Bremgarten und Zollikofen.
Ein anderes Zeichen der Zeit sind die steigenden Preise, zum Beispiel im Lebensmittelbereich. Die Gemeinde setzt mit Lebensmittelabgaben an Bedürftige ein starkes Zeichen.
Diese Aktion läuft über die Fachstelle Arbeit der Gemeinde Wohlen und ist Teil des Projekts «Culinaria – wir tischen auf». Das Teilprojekt nennt sich «Wir packen ein» und kombiniert die Themen «Foodwaste», «Armut» und «Beschäftigung» auf intelligente und notwendige Art und Weise. Es entwickelt sich unglaublich schnell und beweist, dass in allen drei Bereichen grosser Handlungsbedarf besteht.
Die BümplizWoche berichtete vor mehreren Monaten vom Vorhaben von Josef Németh, neben seiner Garage im Zentrum von Hinterkappelen eine Liegenschaft unter anderem mit Lebensmittelanbieter, Wohnungen und ein Ärztezentrum zu realisieren. Wo steht das Projekt?
Für die Überbauung der Parzelle neben dem Autohaus Németh wurde mittels eines qualitätssichernden Verfahrens ein Vorprojekt erarbeitet. Dabei wurde die kommunale unabhängige Fachberatung mit einbezogen. Die Entwicklung des bislang nicht überbauten Bereiches der Hausmatte soll in Absprache mit dem kantonalen Tiefbauamt unter Einbezug der Kantonsstrasse geschehen. Der Vorschlag für eine ortsbaulich verträgliche Überbauung soll voraussichtlich im Herbst 2022 in die öffentliche Mitwirkung gehen.
Gibt es in Hinterkappelen noch Bauland?
Konkret bestehen Projekte bei der Hausmatte – Parzelle Németh –, bei der Sahlimatte und eingangs Bergfeldstrasse. Hinterkappelen ist eines von drei Entwicklungszentren, nebst Wohlen und Uettligen, in welchen der Gemeinderat ein moderates Wachstumspotenzial sieht. In allen drei Dorfteilen ist Verdichtung nach innen und die Erschliessungen sinnvoll möglich.
Was fehlt in Hinterkappelen?
Der Chappele-Leist hat in den vergangenen Jahrzehnten enorm viel bewirkt: Stetige Verbesserung der Poschi-Anbindung, gemeinsame Anlässe wie Kerzenziehen, Samichläuse, Seifenkistenrennen und weiteres haben zur Attraktivität des Wohngebietes beigetragen. Vermutlich ist es leider ein Zeichen der Zeit, dass für diese wichtige Quartierorganisation keine Nachfolgerinnen und Nachfolger im Vorstand mehr zu finden sind. Es fehlt aus meiner Sicht also etwas am Engagement der jüngeren Bevölkerung. Aber was nicht ist, kann noch werden. Hoffentlich. Was aus meiner Sicht ebenfalls fehlt, ist ein kleines Café im oder am Kappelenring. Früher hatten wir in der Migros-Chappelemärit noch einen richtigen Tea-Room, beim Kiosk ein kleines Bistro, in dem sich die Bevölkerung treffen konnte.
Am 22. Oktober findet der Dorfmärit in Hinterkappelen statt. Was ist das Gefühl, von allen erkannt zu werden? Selfie hier, Selfie da?
(Lacht) Natürlich werde ich persönlich angesprochen und auf das eine oder andere Problem aufmerksam gemacht, mit der einen oder anderen Kritik konfrontiert oder erhalte ab und zu auch einmal ein Wort des Dankes. Es ist durchaus so, dass ich deshalb vorbeigehe, um das Gespräch mit der Bevölkerung zu suchen. Von Selfies hier und da kann aber keine Rede sein, ich bin ja schliesslich kein Promi, sondern einfach nur der Präsi. Übrigens: Der Dorfmärit ist ein toller Anlass, ich empfehle allen einen Besuch. Auch er kommt nur zustande, weil Freiwillige sich engagieren. Diesen Leuten haben wir zu danken.
Zur Person
Bänz Müller. 55-jährig, verheiratet mit Beatrice Bleuer (gebürtige Hinterkappelerin), hat drei Töchter zwischen 22 und 27 Jahre alt. Bänz Müller wohnt im Innerberg, er ist seit 2014 Gemeindepräsident, zuvor war er seit 1992 Lehrer in der Gemeinde Wohlen. Seit 2008 Gemeinderat, und seit 2020 Grossrat. Mitglied der SPplus.