Zwischen Gianni Infantino und Thomas Gottschalk

Am 19. November 2022 hatte er seinen ersten TV-Auftritt. Der römisch-katholische Pfarrer Ruedi Heim über Nervosität, Themenwahl, Einschaltquote und Arbeitspensum.

Wer glaubt, Ruedi Heim empfange den Besucher am frühen Morgen im Pfarrhaus St. Antonius in Bümpliz mit Römerkragen, irrt. Der römisch-katholische Pfarrer öffnet die Tür nach dem Klingeln gleich selbst, in Jeans und dazu passendem hellblauem Hemd, sportlich, mit gewinnender Ausstrahlung und klarer Stimme. Ich werfe das Klischee sofort über Bord…

Seit dem 19. November ist Ruedi Heim nun Mitglied im fünfköpfigen Wort-zum-Sonntag-Team von SRF1. Heim erinnert sich: «Die Medienbeauftragte der römisch-katholischen Kirche stiess auf mich und meldete meinen Namen den Verantwortlichen der Sendung ‹Wort zum Sonntag›. Der Anruf des Fernsehens erreichte mich im Februar 2022 während meiner Skiferien auf dem Sessellift.» Die Einladung zum Castingverfahren weckte sein Interesse, er malte sich jedoch keine grossen Chancen aus. Heim durchlief sämtliche Runden des Castingverfahrens – und wurde gewählt. Da wusste er: «Jetzt gilt’s ernst.» Etwa zehn Prozent seines monatlichen Arbeitspensums wendet er dafür auf, das heisst: etwa 15 Stunden für höchstens vier Minuten Sendezeit. Durchschnittlich einmal im Monat wird Ruedi Heim das samstägliche Wort zum Sonntag sprechen.

Zur besten Sendezeit
Wie beurteilt er seinen ersten Auftritt? Ruedi Heim gibt sich selbstkritisch: «Im Grossen und Ganzen bin ich zufrieden. Ich war aber wahnsinnig nervös und war mir nicht bewusst, dass man mein Gesicht schon sah, bevor ich zu sprechen begann. So schaute ich vorerst etwas finster drein.» Auch vergass er, die Zuschauerinnen und Zuschauer zu begrüssen. Für die kommenden Ausstrahlungen will er dies ändern. Auch müsse er stets darauf achten, sich nicht zu stark auf das Sendedatum zu fokussieren, da man die Ausstrahlung in der Mediathek von SRF1 und im Internet auch später anschauen könne.

Das Wort zum Sonntag wurde im Schweizer Fernsehen erstmals am 13. Juni 1954 unter dem Titel «Zum heutigen Sonntag» ausgestrahlt. Seit 1958 gibt es die Sendung mit dem heutigen Namen. Sie ist neben der Tagesschau das zweitälteste Fernsehformat in der Schweiz. Gleich nach der Tagesschau um 20 Uhr und unmittelbar vor dem Hauptabendprogramm geniesst die Sendung das Privileg der Prime Time und mit 300’000 Zuschauenden eine ansehnliche Einschaltquote. «Bei meinem ersten Auftritt stand ich zwischen der langen Rede des Fifa-Präsidenten Gianni Infantino und der Unterhaltungssendung ‹Wetten, dass…?› mit Thomas Gottschalk», lacht Ruedi Heim.

Keine hochkomplexen Themen
Im Gegensatz zur Kirche ist Ruedi Heim im TV-Studio allein mit der Kamera und er hat eine substanzielle Botschaft in höchstens vier Minuten verständlich und wirksam «rüberzubringen». Einen Teleprompter gibt’s für die neue Wort zum Sonntag-Equipe nicht mehr. «Man trimmt uns aufs Auswendiglernen», schmunzelt der Theologe. «Im Fernsehen predige ich nicht, sondern gebe lediglich in der sehr kurzen Zeit einen Kommentar aus christlicher Sicht zum Zeitgeschehen.» So erstaunt es nicht, dass er nach der ersten Sendung auch Kommentare einiger enttäuschter Zuschauender entgegennehmen musste, die ihn auf fehlende Punkte hinwiesen und passende Bibelzitate sendeten. «Ich halte mich in meinen Antworten jeweils kurz, weil ich mich nicht auf religiös-theologische Diskussionen mit mir unbekannten Menschen einlassen möchte.» Die Reaktionen seien aber grossmehrheitlich positiv, selbst von Leuten aus dem weiteren Bekanntenkreis, von denen er nie gedacht hätte, dass sie das Wort zum Sonntag schauten.

Nicht alle Themen eignen sich für die kurze Sendezeit. «Hochkomplexe Themen, bei denen ich historisch ausholen müsste, passen nicht, das würde dem Thema nicht gerecht.» Auch lange Bibelzitate meidet Ruedi Heim aus Zeitgründen. «Es reicht ein Gedanke, ein eigenes Erlebnis, etwas, was mich prägt», sinniert er.

Zur Person
Ruedi Heim wurde am 25. Dezember 1967 in Oberwil TG geboren. Sein Theologie-Studium schloss er 1998 in Rom ab. Vier Jahre arbeitete er in Sursee als Vikar, drei Jahre als Pfarrer in Menzingen ZG und weitere 14 Jahre war er Bischofsvikar für die Kantone Zug, Luzern, Thurgau und Schaffhausen. Seit März 2018 ist er römisch-katholischer Pfarrer der Pfarreien St. Antonius in Bümpliz und St. Mauritius in Bethlehem sowie Co-Leiter des Pastoralraums Region Bern. Ruedi Heim wohnt in Bümpliz.

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