Heute kaum bekannt, morgen Vorzeigeprojekt

In den nächsten Jahren soll zwischen dem Weyerli und dem Europaplatz ein neues urbanes Quartier entstehen. Vorgesehen sind Arbeitsplätze, genossenschaftliche Wohnungen sowie viel Begegnungsfläche.

«Scharnierstelle zwischen Osten und Westen» oder «Filetstück» nennt Stadtpräsident Alec von Graffenried das Areal, «ein neuer vernetzter Stadtteil» sagt Architekt Prof. Wim Eckert. Zwischen Europaplatz und Weyermannshaus, dort, wo sich zwei Bahnlinien und eine Autobahn kreuzen und queren, soll ein Vorzeigequartier entstehen. Anfang April präsentierten die Verantwortlichen die Pläne für den Entwicklungsschwerpukt Ausserholligen der Öffentlichkeit. 

Die Mitte von Bern

Man rede in der Stadt Bern viel über Stadtentwicklung, sagte Alec von Graffenried an der Pressekonferenz einleitend. Und meine damit meist das Viererfeld. Doch neben dem grossen Projekt in der Länggasse und anderen im Raum Wankdorf/Wyler oder dem Gaswerk sei dieses hier in Ausserholligen das allerwichtigste. Hier nämlich, wo die Stadt durch den Bremgartenwald im Norden und den Könizbergwald im Süden so eng ist wie sonst nirgends, liegt die geographische Mitte Berns. Doch es ist nicht gerade der Ort, an den man Besuchende auf einem Stadtrundgang hinführt. Es gäbe wohl viele Bernerinnen, da war man sich an der Pressekonferenz einig, die sich kaum je hierhin verirrten. Das soll sich nun ändern.

Investieren, Bauen, Betreiben

Die Stadt Bern sowie die Grundeigentümer Energie Wasser Bern (ewb) und BLS stiessen nach einer Testplanung vor rund sieben Jahren ein Wettbewerbsverfahren an, das es so in Bern noch nie gegeben habe, wie der «Stapi» erwähnte. Basierend auf einer Charta vergaben die drei Partner einen Gesamtleistungsstudienauftrag, der – wie es der Name schon verrät – das Gesamte umfasst: Investition, Bauen und Betreiben. Es sollen nicht nur Gebäude entstehen, sondern es soll Städtebau betrieben, eine Verkehrslösung gefunden und der Aussenraum aktiviert werden. Hochkomplex sei dies – das Team Halter AG konnte die Anforderungen alle einbinden und stach die neun weiteren Mitbewerbenden aus. 

Hochhäuser mit Sockel und Viadukt mit Veloachse

Auf dem Grundstück der ewb – links des Viadukts und vor dem technischen Zentrum der ewb – sollen drei Hochhäuser entstehen. Ein Teil der Familiengärten muss dem Projekt weichen und wird zum Quartierpark, ein weiterer Teil fällt dem Neubau der Schule Stöckacker zum Opfer. Dafür wird das Areal im Gegensatz zu heute nicht nur offener, sondern zur Verbindung zwischen West und Ost, Nord und Süd. 

Die Altstadtarkaden fänden ihre Entsprechung im grösseren Massstab, so Architekt Eckert. Denn das Viadukt erfährt eine «Durchwegung» – im Raum unter der
Autobahn dürfen künftig Fussgängerinnen spazieren und Velofahrende von einem Stadtteil in den anderen gelangen. Die angrenzenden neuen Hochhäuser stehen zudem auf einem zweigeschossigen Sockel, der für alle zugänglich sein soll: Ein Forum für Veranstaltungen ist eingeplant, Gastronomie, ein Quartiermarkt und Ausstellungsräumlichkeiten, aber auch Terrassen, Quartierplätze, Gassen, Brunnen und, wie erwähnt, ein grosser Park mit Wildnis- sowie Freizeitwiese.

Die ausführende Halter AG ist keine Unbekannte in der Stadt, siehe Huebergass in Holligen oder Cosmos beim Bahnhof Bümpliz Nord. CEO Markus Mettler kenne die Gegend am Rand von Bern West sehr gut, sagte er. Nun ist es auch seine Aufgabe, dass dies in ein paar Jahren vielen Einheimischen und Auswärtigen ebenso geht. Erreichen wollen es die Entwicklungsspezialistinnen auch mit der Wohnbaugenossenschaft Viadukt. Nebst dem neuen ewb-Hauptsitz  – der Standort im Monbijou wird in die Nähe des technischen Zentrums ziehen – und Gewerberäumen sind nämlich rund 220 Wohnungen in einer «maximalen Diversität» vorgesehen. Gut ein Drittel werden im preisgünstigen Segment angesiedelt sein, sämtliche Mietzinsen werden nach der Kostenmiete berechnet. Das heisst, es fliesst keine Rendite ab und der Wohnraum dient nicht der Spekulation. Die Mieteinnahmen decken, vereinfacht gesagt, rein die Kosten.

Bahnhof Stöckacker verschoben

Auf der anderen Seite des Viadukts wird zu einem späteren Zeitpunkt die BLS bauen, auch das gehört zum Projekt. Etwas weiter hinten entsteht zudem der neue Campus der Berner Fachhochschule für um die 6000 Studierenden. 

Im Hinblick auf so viele neue
Studierende, Arbeitende und Bewohnende wird der Bahnhof Stöckacker verschoben und zu «Europaplatz Nord». Die bestehende Unterführung beim jetzigen S-Bahnhof bleibt bestehen und erfährt eine Aufwertung. 

Zwei Volksabstimmungen

Bis aus dem unter, hinter, neben und zwischen Verkehrsachsen eingepferchten Areal ein Leuchtturmprojekt mit hoher Lebens- und Aufenthaltsqualität wird, dauert es noch eine Weile. Die Überbauungsordnung muss kantonale Vorprüfung, öffentliche Auflage und eventuelle Einsprachen überstehen. Nicht zuletzt muss das Berner Stimmvolk die finanzielle Beteiligung der Stadt für die Erschliessung gutheissen. Zwei Volksabstimmungen gibt es zum Grossprojekt, voraussichtlich im März 2024 sowie ein Jahr später. Die Verantwortlichen zeigen sich aber zuversichtlich, dass die Gegend ums geographische Zentrum der Stadt bald auch zu einem Treffpunkt ihrer Einwohnerinnen und Einwohner wird.

Einfach erklärt

In Ausserholligen plant die Stadt Bern zusammen mit Energie Wasser Bern (ewb) und der BLS ein neues Quartier. Es wird ein grosses Projekt. Nach der Planung des Projekts gibt es zwei Abstimmungen.

Salome Guida

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