Peter Widmer

Ein stolzer Weg, trotz grosser Hürden

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Er wollte in Syrien Medizin studieren, stattdessen hätte er in den Krieg ziehen müssen. Das konnte Siamend Khoder mit seinem Gewissen nicht vereinbaren. 2013 flüchtete er in die Schweiz. Heute ist er Geschäftsführer im Coop Bern Brunnmatt.

Er ist einer, der es geschafft hat: Der heute 29-jährige Siamend Khoder ist seit Oktober 2022 Geschäftsführer des Coop-Supermarktes Brunnmatt in Bern und Vorgesetzter von 25 Mitarbeitenden. Aber so einfach und «stromlinienförmig» verlief seine Berufskarriere nicht. Nach Abschluss des Gymnasiums 2013 wollte der damals 19-Jährige ein Medizinstudium in seinem Heimatland Syrien in Angriff nehmen. Daraus wurde aber nichts, der Staat verlangte von ihm Dienst in der Armee. Der Bürgerkrieg in Syrien wütete damals seit zwei Jahren. «Das bedeutete für mich: Krieg, entweder töte ich Menschen oder ich werde selbst getötet», erzählt Siamend Khoder. Er sah keine andere Möglichkeit als die Flucht nach Europa. 

Flucht dauerte drei Monate

Alles ging sehr schnell, Khoder und einige Bekannte traten Ende August 2013 die Flucht mit Hilfe von Schlepperorganisationen an. Im Gegensatz zu seinen Eltern, für die es ein Schock war und die um das Leben ihres Sohnes bangten, empfand Khoder die Flucht – in seiner jugendlichen Naivität – damals erst mal als Abenteuer. Heute ist ihm bewusst, wie gefährlich diese war. Viele Menschen, die mit ihm unterwegs waren, starben. Erste Station war das Nachbarland Türkei, wo er rund eineinhalb Monate blieb. Danach gings weiter nach Griechenland, «im Gummiboot übers Mittelmeer», erinnert er sich. Nach einem weiteren Monat wurde er in einem Lastwagen auf dem Landweg nach Italien gebracht und gelangte schliesslich Ende November 2013 in die Schweiz. Khoder trug lediglich seine Kleidung und seinen Pass auf sich. Da sein älterer Bruder seit 23 Jahren in Biel lebt und arbeitet, war die Schweiz für Khoder Zielland Nummer eins, obwohl er nicht viel wusste über seine neue Heimat. 

Nach behördlichem Verteilschlüssel wurde Khoder ins Asylaufnahmezentrum in den Kanton Glarus gebracht, wo er später mit fünf weiteren Geflüchteten in einer Wohnung lebte. An diese Zeit des Wartens erinnert sich Khoder heute nur ungern. Dann, nach eineinhalb Jahren, konnte er durch die Hilfe eines Anwalts zu seinen Eltern nach Herrenschwanden ziehen, die zwischenzeitlich – dank seines Bruders ganz legal – in die Schweiz einreisen durften. Die Odyssee von Siamend Khoder fand damit ein Ende.

Rasch Deutsch gelernt

Die ersten Wochen und Monate in der Schweiz waren schwierig, konnte sich Khoder doch nur auf Englisch verständigen. Es war ihm schnell klar, dass er möglichst rasch Deutsch lernen musste. So besuchte er unter anderem an der BFF Kompetenz Bildung Bern Intensivsprachkurse und schloss erfolgreich mit Deutsch, Stufe B1, ab. Kein Zweifel, Khoder ist sprachbegabt und hat eine rasche Auffassungsgabe, so dass er sich heute mühelos auf Hochdeutsch und in Dialekt verständigen kann, wenn es um (anspruchsvollere) alltägliche Dinge aus Arbeit, Schule, Gesellschaft und Freizeit geht. «Das Beherrschen der Sprache ist das A und O, um möglichst rasch Fuss fassen zu können in einem Gastland», ist Khoder überzeugt. 

Hat er sich auch überlegt, in der Schweiz das geplante Medizin-studium weiterzuverfolgen? «Davon habe ich bald abgesehen, weil syrische Diplome hier nicht anerkannt sind und die Sprachkenntnisse für dieses Studium nicht gereicht hätten. Da bin ich nicht blauäugig», antwortet er realistisch. Es war für ihn klar, dass er einen Beruf ergreifen wollte, wo er in regem Kontakt mit Menschen steht, «denn dadurch kann ich die Sprache am besten vervollständigen», sagt er weitsichtig. 

Ganz anders als in Syrien

Als Khoder in die Schweiz kam, war er überwältigt vom riesigen, schier unbegrenzten Warenangebot in den Grossverteilern, die ganz anders war, als er es sich von seiner Heimat gewohnt war. Denn dort besteht eine Vielzahl kleiner Läden, wo es jeweils eine Ware zum Verkauf hat. So kauft man an einem Ort Brot, beim anderen das Gemüse, und in einem weiteren Gewürze oder Milchprodukte. «Alles auf einer Verkaufsfläche zu finden, war für mich damals fremd», erklärt er. Durch die Vermittlung seines Bruders, der auch für Coop in Biel tätig ist, schnupperte er im Coop Bern Bethlehem, bewarb sich und erklärte gleich beim Vorstellungsgespräch, dass er dereinst Geschäftsführer werden möchte. Klare Ansage. Nach der Vorlehre absolvierte er erfolgreich die dreijährige Lehre als Detailhandelsfachmann. Und schon hat er ein nächstes klares Ziel: Die Weiterbildung zum Detailhandelsspezialisten mit eidgenössischem Fachausweis.

Seit kurzem besitzt Siamend Khoder die Niederlassungsbewilligung C, womit er sich unbegrenzt und ohne Einschränkungen in der Schweiz aufhalten kann. «Ich bin dankbar, dass ich hier eine berufliche und private Chance erhalten habe», fasst er zusammen. Khoder wusste, diese zu packen, und das hat viel zu seiner Integration beigetragen.

Einfach erklärt

Siamend Khoder flüchtete 2013 vor dem syrischen Bürgerkrieg in die Schweiz. Heute ist er Geschäftsführer im Coop Bern Brunnmatt und Vorgesetzter von 25 Mitarbeitenden. Er lernte rasch Deutsch und spricht heute gut Berndeutsch. Er möchte sich weiterbilden und eine eigene Familie in der Schweiz gründen.

Zu vitalem Haar mit dem «Sommernachtstraum»

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Die drei Haarshampoos, welche sieben Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Kirchenfeld herstellen und verkaufen, nennen sie «Französische Romantik», «Erfrischende Brise» und «Sommernachtstraum». Mit ihrem Miniunternehmen «CleanBar» wagen sie erste praktische Schritte in die Wirtschaftswelt.

Seit dem Sommer 2022 üben sich sieben Schülerinnen des Gymnasiums Kirchenfeld im Unternehmertum, und zwar nicht bloss in der Schulstube, sondern im realen Wirtschaftsumfeld. Lia Beyeler, Lena Bulk, Nanda Grossenbacher, Rezan Erdinç, Nils Kneubühler, Joel Probst und Sixte Bernard bilden zusammen die CleanBar. BümplizWochen hat mit fünf Mitarbeitenden des Miniunternehmens gesprochen (siehe auch Porträts).

Das während eines Schuljahres dauernde Projekt integriert sich in die Projektidee von YES (Young Enterprise Switzerland). Die Aktivitäten richten sich nach vorgegebenen Rahmenbedingungen von YES, welche in einem Projekthandbuch festgeschrieben sind. Die sieben Jungunternehmerinnen haben als Wahl-Schwerpunktfächer Wirtschaft und Recht gewählt und sich für ein YES-Projekt entschieden. Der einjährige Betrieb des Miniunternehmens ist integrierender Bestandteil der Ausbildung und wird benotet. Gecoacht werden die Schüler:innen von ihrem Lehrer für Wirtschaft und Recht, Philippe Seiler. Bei YES haben sie einen Programmverantwortlichen als direkten Ansprechpartner.

«Das Unternehmen basiert zudem auf einem nationalen YES-Wettbewerb, dem sogenannten ‹Company Program›», wie CleanBar-Administrationsleiterin Lena Bulk berichtet. Wenn sich YES von CleanBar überzeugen lässt, gelangen die Miniunternehmer in die «Top 75» der Schweiz.

Umweltschonend und einmalig

Die temporären Unternehmerinnen handeln so selbstständig wie möglich. Auch bei der Wahl der Geschäftsidee waren die sieben frei und entschieden sich für die Produktion eines festen Natur-Haarshampoos. Wie kam es dazu? «Zuerst liebäugelten wir mit Nahrungsmitteln, verwarfen aber die Idee wieder», sagt Lia Beyeler, CEO von CleanBar. «Wir waren uns dann einig, dass es etwas sein musste, was es nicht schon gibt.» So stiessen sie auf ein nicht-flüssiges Haarshampoo. Dabei stand Umweltverträglichkeit an oberster Stelle. «Flüssigshampoos befinden sich in Plastikverpackungen. Die feste Form unseres Produktes benötigt kein Plastik und so entsteht kein Abfallproblem», bewirbt Marketing-Managerin Nanda Grossenbacher das wie eine Seife aussehende CleanBar-Erzeugnis. Auf dem mit blauem Seidenpapier umhüllten Shampoo werden präzis die Inhaltsstoffe deklariert: Maisstärke, Sheabutter, Sodium Cococyl Isethionate, Glycerin, Tonerde, ätherisches Öl, Farbstoffe. «Unser Produkt enthält kein Sulfat, denn das wäre schädlich für die Kopfhaut», ergänzt Product-Manager Nils Kneubühler. «Unser Shampoo kann man übrigens auch für die Ganzkörperpflege benützen…»

Aber bevor die Jungunternehmerinnen und Jungunternehmer mit der Produktion beginnen konnten, eruierten sie in der Stadt Bern mit einer Strassenumfrage die Bedürfnisse der potenziellen Kundinnen und Kunden – vorbildlich nach Lehrbuch… Denn was nützt ein Produkt, das niemand will? Dazu Lia Beyeler: «Die Reaktionen – auch zum Preis – waren grossmehrheitlich positiv und bestärkten uns, das Vorhaben durchzuziehen.» Den dazugehörenden Businessplan haben die CleanBar-Verantwortlichen allerdings erst gegen Ende Januar an YES übermittelt.

Gewinnschwelle früh erreicht

In der Übungsanlage hat sich CleanBar die Rechtsform einer Aktiengesellschaft gegegben, der häufigsten Gesellschaftsform in unserem Land. YES übernimmt im Projekt die Rolle des Staates, beispielsweise bei der Abgabe der Mehrwertsteuer – übungshalber.

Produziert wird das Haarshampoo hauptsächlich am «Firmensitz» in Muri b. Bern, dem Wohnort von CEO Lia Beyeler, und zwar meist abwechselnd zu zweit, damit alle sieben das Handwerk der Produktion kennenlernen. Das Know-how haben sich die Schülerinnen vor allem im Internet angeeignet, «wo wir viele Anleitungen zur Herstellung von Shampoos fanden. Wir und unsere Familien waren Testpersonen», schmunzelt Nanda. Danach hätten sie das Rezept kontinuierlich verfeinert, bis es passte. Bei der BümplizWochen-Gesprächsrunde hatten alle noch ihre volle Haarpracht… Die verschiedenen Inhaltsstoffe beschaffen sie sich in Apotheken, Drogerien und im übrigen Detailhandel.

An den Weihnachtsmärkten in Burgdorf, Bolligen und Trimstein betrieben die Miniunternehmer: innen einen Verkaufsstand als Point of Sale. «Bereits am ersten Markt in Burgdorf haben wir die Gewinnschwelle (Break-Even-Point) erreicht», sagt Finanzchef Rezan Erdinç stolz. «Sie lag in unserem Fall bei 78 Stück.» Bis zum Tag der Gesprächsrunde beziffert CleanBar den Umsatz auf über 1200 Franken und der Gewinn beläuft sich auf gut 700 Franken. CleanBar, eine erfolgreiche Geschäftsidee – übungshalber.

Einfach erklärt

7 Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Kirchenfeld in Bern haben ein Jahr lang eine Firma. Das ist zum Üben. Als Geschäftsidee haben sie die Herstellung eines umweltschonendes Haarshampoos in fester Form gewählt. Sie stellen das Shampoo selber her. Es kostet CHF 9.50. Es gibt es in drei verschiedenen Duftnoten.

Von einem, der auszog und in Marokko sein Glück fand

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Benjamin Berger beruflich zu eng in der Schweiz. So wanderte er nach Marokko aus, wo er sich nun wohl fühlt und erfolgreich als Unternehmer arbeitet. Ein orientalisches Märchen?

Marokko als Auswanderungsland hat er eigentlich nie bewusst gewählt. Es sind halt oft Zufälle, die den Lebensweg bestimmen. «Ich wusste lediglich, was ich nicht wollte: Im normalen Berufsalltag in der Routine erstarren», sagt der heute 35-jährige ehemalige kaufmännische Angestellte Benjamin Berger. Er musste an seinen Arbeitsplätzen in Bern leider erfahren, dass Eigeninitiative eines jungen «unerfahrenen» Mitarbeiters nicht gefragt war. Er fühlte sich oft nicht ernst genommen. Da war für ihn klar: Er wollte einfach mal weg, ausbrechen, war offen für alles. Ein marokkanischer Freund bat den Auswanderungswilligen während dessen USA-Aufenthalts um Unterstützung. «So landete ich in Marokko», erzählt er. Ein Jahr lang arbeiteten die beiden zusammen. «Aber ich hatte wieder das Gefühl, einfach einen geregelten Schweizer Berufsalltag zu erleben», kam der Suchende zum Schluss. Das konnte es nicht sein, er wagte die Flucht nach vorn und machte sich selbstständig.

Gold aus Marokko

Benjamin Berger lernte den Arganbaum kennen, aus dessen Früchten das Arganöl hergestellt wird. Das Öl wird aus den Kernen der Argannüsse gewonnen. Arganöl gilt als eines der kostbarsten Öle der Welt, das nicht nur als Delikatesse in Gourmetküchen eingesetzt wird, sondern auch zur Haut- und Haarpflege sowie zur Behandlung von Hauterkrankungen. Deshalb wird es oft als «Gold aus Marokko» bezeichnet.

Der Jungunternehmer war begeistert von der Wirkung dieser Frucht. Seiner betagten Grossmutter, die unter den Schmerzen ihrer rissigen Hände litt, brachte er an Weihnachten 2015 ein Fläschchen Arganöl mit. Die heilende Kraft brachte Linderung und gestaltete das Leben der Frau etwas angenehmer. «Das war der finale ‹Kick› für mich, mein Berufsleben dem Arganöl zu widmen», sagt Berger heute.

Er musste vorerst viel recherchieren, ausloten, was überhaupt alles möglich sein könnte. «Es war eine schwierige Zeit. Fremdkapital stand aber nie zur Diskussion», blickt er zurück. Er verfügte über einen kleineren Sparbatzen aus der Schweiz. «Durch Gelegenheits-Jobs achtete ich stets darauf, dass er mindestens nicht kleiner wurde. Aber irgendeinmal hatte ich noch zwanzig Franken auf dem Tisch», schmunzelt er. Doch der Kämpfer liess sich dadurch nicht entmutigen, im Gegenteil. «Meine Familie und Freunde in der Schweiz halfen mit beim Aufbau meines Unternehmens. Vor Ort machte ich aber alles selber: das Logo, das Design der Flacons, verfasste Texte, kreierte die Website.» Berger ist überzeugt, dass ihm in der Schweiz nicht gelungen wäre, was er inzwischen in Marokko erreicht hat. «Hier hat man auch ohne finanzielles Polster einen längeren Atem», glaubt er.

Leben ohne Luxus

Heute fühlt sich Berger in Marokko als integriert. «Aber das muss man wollen und selber dazu beitragen», sagt er dezidiert. Es habe etwa ein Jahr gedauert, bis er sich in das gesellschaftliche, kulturelle und geschäftliche Leben Marokkos habe einfügen können. Geduld, eine Prise Lockerheit, aber auch eine gewisse Vorsicht seien gute Voraussetzungen, sich zu integrieren. Sogar den marokkanischen Darija-Dialekt beherrscht er inzwischen leidlich.

Er lebt im Zentrum der Hafenstadt Agadir in einer 3,5-Zimmer-Mietwohnung in einem neueren Mehrfamilienhaus. Das sei denn auch der einzige Luxus, den er sich leiste, erzählt er. Die Wohnung ist auch sein Haupt-Arbeitsort, Auto besitzt er keines.

Vertrieb in der Schweiz

Eine Kooperative ausserhalb Agadirs ist Bergers Lieferantin der Nusskerne, welche traditionellerweise von Berberfrauen geerntet werden. «Ich nehme ihnen die Nüsse ab, einfach soviel wie sie produzieren», erzählt er. Danach lässt er die Nüsse durch einen Produzenten maschinell zu Öl verarbeiten, welches in Bidons abgefüllt wird. «So kann ich die Prozesse beeinflussen und nachvollziehen», fügt der umsichtige Unternehmer hinzu.

Die Bidons verschickt er nach Bern, wo er ein Lager betreibt. Alle drei bis vier Monate kommt Benjamin in die Schweiz, füllt das Öl versandbereit in Flacons ab. Seine Mutter schnürt die Pakete und verschickt sie per Post an Privatkunden und an den Detailhandel. «Meine Produkte werden inzwischen auch für Behandlungen in den Schminkbars an sieben Standorten angeboten», sagt Benjamin stolz, dass er bereits auf einen treuen Schweizer Kundenstamm zählen darf.

Ist eine Rückkehr in die Schweiz ein Thema? «Vorderhand nicht», antwortet er, ohne zu zögern. Er hat seinen Lebensmittelpunkt mit seiner marokkanischen Freundin in Marokko gefunden. «Aber sag’ niemals nie, ich lasse mich von den Möglichkeiten treiben!» Ein orientalisches Märchen…

Einfach erklärt

Der in Bümpliz aufgewachsene Benjamin Berger lebt seit 2014 in Agadir, Marokko. Dort produziert er aus den Früchten des Arganbaumes das «flüssige Gold Marokkos», das Arganöl.

Neu, aber nach wie vor vertraut

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Am 18. Februar ist es soweit: Nach achtmonatiger Gesamtsanierung steigt im Hallenbad Gäbelbach das Eröffnungsfest. Die BümplizWochen auf dem Rundgang mit Geschäftsführer Philipp Aeberhard und Projektleiter Marius Schreier.

Draussen ein nasskalter Dezembermorgen – drinnen ein Entspannungsraum neben der Sauna. Der Ruheraum ist zwar noch nicht ganz als solcher erkennbar, denn er ist erst noch im Entstehen begriffen, aber ist ein wichtiger Bestandteil der Totalsanierung des über 50-jährigen Hallenbads. «Die Ausführungspläne, die wir gefunden haben, stammen aus dem Jahr 1971», erzählt Marius Schreier, der für die Sanierung zuständige Architekt und Projektleiter. Das Hallenbad gehört zur Wohnsiedlung Gäbelbach, die in den Jahren 1965 bis 1971 nach den Plänen der Architekten Eduard Helfer und Hans und Gret Reinhard realisiert wurde.

Asbest gefunden
Die hellgrünen Wände deuten aber schon heute auf Entspannung hin. Noch ist der Fussboden abgedeckt, Bauutensilien statt der bequemen Liegen beherrschen das Terrain. Grelle LED-Röhren leuchten den Raum aus. «Hier installieren wir ein gemütliches, dämpfendes Beleuchtungssystem», sagt Philipp Aeberhard, Geschäftsführer der Gäbelbach-Immobilien AG.

Das sanierte Bad wird am 18. Februar mit einem Fest eingeweiht, genau acht Monate nach der Schliessung. «Aber wir planen, Bad und Sauna bereits am 4. Februar unseren Gästen wieder zugänglich zu machen», ergänzt Aeberhard, «sozusagen als ‹Probelauf›, damit wir die Arbeitsprozesse noch optimieren können.»

Bei den laufenden Bauarbeiten handelt es sich um die erste umfassende Sanierung seit 1971. Einzelne Instandstellungsarbeiten seien aber laufend realisiert worden, sagt Schreier. Die Sanierung eines Hallenbades sei nicht «daily business», schmunzelt er. Auch für den erfahrenen Architekten entpuppt sich das Projekt als Herausforderung und sorgt für Überraschungen. «Die Bausubstanz wurde stark durch Wasser und Chlor angegriffen, deshalb war der Sanierungsbedarf im Vorfeld schwer abzuschätzen», so Schreier. Beispielsweise kam bei den Wandplatten Asbest zum Vorschein, was in den 1960er-Jahren noch bedenkenlos dem Plattenkleber beigemischt wurde. Die zweite Überraschung offenbarte sich beim Beckenumgang und bei der Überlaufrinne, die nicht abgedichtet waren. Dadurch gelangte viel Wasser in den Unterlagsboden. «Ausser dem Becken selbst mussten eigentlich alle Oberflächen, die mit Wasser in Kontakt kamen, saniert werden», fasst der Architekt zusammen.

Lieferprobleme
Die Sanierung wurde mit 1,1 Mio. Franken budgetiert, das Kostendach kann (fast) eingehalten werden. «Wir werden voraussichtlich mit 1,3 Mio. Franken abschliessen können», zeigt sich Aeberhard zuversichtlich. Ursprünglich war vorgesehen, das Bad bereits im Januar zu eröffnen. Als Hauptgrund für die zeitliche Verzögerung nennt der Geschäftsführer Engpässe in der Lieferkette. «Den Lüftungs-Monoblock bestellten wir im Frühling 2022, am 12. Dezember haben wir ihn schliesslich erhalten.» Die Abhängigkeiten bei der Sanierung eines Hallenbades seien ungleich grösser als beispielsweise bei einer Wohnung, fügt Marius Schreier hinzu. So waren während der ganzen Bauphase nicht weniger als 17 Firmen beteiligt.

Höherer Komfort, aber wiedererkennbar
Worauf können sich die Besuchenden freuen? Dazu Marius Schreier: «Ganz klar auf den höheren Komfort. Die Duschen werden mit Trennwänden ausgestattet, früher war alles sehr verwinkelt. Die Gäste werden durch ein zeitgemässes Farbkonzept eine freundlichere, hellere Atmosphäre vorfinden.» Und Philipp Aeberhard ergänzt lachend: «Anstelle der lärmenden Haartrocknungs-Rohre stehen einzelne Haarföhne zur Verfügung.» Was sowohl Aeberhard als auch Schreier betonen: Die Besuchenden werden «ihr» Bad wiedererkennen. So wurden im Wasserbeckenraum die Wände mit dem Sichtbackstein belassen. Die Holzdecke musste indessen einer weiss gespritzten Decke weichen. Aber die Kleiderkästen und sogar die hölzernen Sitzbänkli präsentieren sich unverändert.

Der gesamte Umbau wurde den aktuellen energetischen Normen angepasst: «Bei der Fensterfront haben wir die Dämmwerte durch Dreifachverglasung eingehalten, Badewasser und Lüftung haben Wärmerückgewinnung», schildert Architekt Schreier nicht ohne Stolz.

Einfach erklärt
Das Hallenbad Gäbelbach ist 50 Jahre alt. Jetzt wird es renoviert. Im Februar kann man wieder baden. Es hat auch eine Sauna.

Zwischen Gianni Infantino und Thomas Gottschalk

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Am 19. November 2022 hatte er seinen ersten TV-Auftritt. Der römisch-katholische Pfarrer Ruedi Heim über Nervosität, Themenwahl, Einschaltquote und Arbeitspensum.

Wer glaubt, Ruedi Heim empfange den Besucher am frühen Morgen im Pfarrhaus St. Antonius in Bümpliz mit Römerkragen, irrt. Der römisch-katholische Pfarrer öffnet die Tür nach dem Klingeln gleich selbst, in Jeans und dazu passendem hellblauem Hemd, sportlich, mit gewinnender Ausstrahlung und klarer Stimme. Ich werfe das Klischee sofort über Bord…

Seit dem 19. November ist Ruedi Heim nun Mitglied im fünfköpfigen Wort-zum-Sonntag-Team von SRF1. Heim erinnert sich: «Die Medienbeauftragte der römisch-katholischen Kirche stiess auf mich und meldete meinen Namen den Verantwortlichen der Sendung ‹Wort zum Sonntag›. Der Anruf des Fernsehens erreichte mich im Februar 2022 während meiner Skiferien auf dem Sessellift.» Die Einladung zum Castingverfahren weckte sein Interesse, er malte sich jedoch keine grossen Chancen aus. Heim durchlief sämtliche Runden des Castingverfahrens – und wurde gewählt. Da wusste er: «Jetzt gilt’s ernst.» Etwa zehn Prozent seines monatlichen Arbeitspensums wendet er dafür auf, das heisst: etwa 15 Stunden für höchstens vier Minuten Sendezeit. Durchschnittlich einmal im Monat wird Ruedi Heim das samstägliche Wort zum Sonntag sprechen.

Zur besten Sendezeit
Wie beurteilt er seinen ersten Auftritt? Ruedi Heim gibt sich selbstkritisch: «Im Grossen und Ganzen bin ich zufrieden. Ich war aber wahnsinnig nervös und war mir nicht bewusst, dass man mein Gesicht schon sah, bevor ich zu sprechen begann. So schaute ich vorerst etwas finster drein.» Auch vergass er, die Zuschauerinnen und Zuschauer zu begrüssen. Für die kommenden Ausstrahlungen will er dies ändern. Auch müsse er stets darauf achten, sich nicht zu stark auf das Sendedatum zu fokussieren, da man die Ausstrahlung in der Mediathek von SRF1 und im Internet auch später anschauen könne.

Das Wort zum Sonntag wurde im Schweizer Fernsehen erstmals am 13. Juni 1954 unter dem Titel «Zum heutigen Sonntag» ausgestrahlt. Seit 1958 gibt es die Sendung mit dem heutigen Namen. Sie ist neben der Tagesschau das zweitälteste Fernsehformat in der Schweiz. Gleich nach der Tagesschau um 20 Uhr und unmittelbar vor dem Hauptabendprogramm geniesst die Sendung das Privileg der Prime Time und mit 300’000 Zuschauenden eine ansehnliche Einschaltquote. «Bei meinem ersten Auftritt stand ich zwischen der langen Rede des Fifa-Präsidenten Gianni Infantino und der Unterhaltungssendung ‹Wetten, dass…?› mit Thomas Gottschalk», lacht Ruedi Heim.

Keine hochkomplexen Themen
Im Gegensatz zur Kirche ist Ruedi Heim im TV-Studio allein mit der Kamera und er hat eine substanzielle Botschaft in höchstens vier Minuten verständlich und wirksam «rüberzubringen». Einen Teleprompter gibt’s für die neue Wort zum Sonntag-Equipe nicht mehr. «Man trimmt uns aufs Auswendiglernen», schmunzelt der Theologe. «Im Fernsehen predige ich nicht, sondern gebe lediglich in der sehr kurzen Zeit einen Kommentar aus christlicher Sicht zum Zeitgeschehen.» So erstaunt es nicht, dass er nach der ersten Sendung auch Kommentare einiger enttäuschter Zuschauender entgegennehmen musste, die ihn auf fehlende Punkte hinwiesen und passende Bibelzitate sendeten. «Ich halte mich in meinen Antworten jeweils kurz, weil ich mich nicht auf religiös-theologische Diskussionen mit mir unbekannten Menschen einlassen möchte.» Die Reaktionen seien aber grossmehrheitlich positiv, selbst von Leuten aus dem weiteren Bekanntenkreis, von denen er nie gedacht hätte, dass sie das Wort zum Sonntag schauten.

Nicht alle Themen eignen sich für die kurze Sendezeit. «Hochkomplexe Themen, bei denen ich historisch ausholen müsste, passen nicht, das würde dem Thema nicht gerecht.» Auch lange Bibelzitate meidet Ruedi Heim aus Zeitgründen. «Es reicht ein Gedanke, ein eigenes Erlebnis, etwas, was mich prägt», sinniert er.

Zur Person
Ruedi Heim wurde am 25. Dezember 1967 in Oberwil TG geboren. Sein Theologie-Studium schloss er 1998 in Rom ab. Vier Jahre arbeitete er in Sursee als Vikar, drei Jahre als Pfarrer in Menzingen ZG und weitere 14 Jahre war er Bischofsvikar für die Kantone Zug, Luzern, Thurgau und Schaffhausen. Seit März 2018 ist er römisch-katholischer Pfarrer der Pfarreien St. Antonius in Bümpliz und St. Mauritius in Bethlehem sowie Co-Leiter des Pastoralraums Region Bern. Ruedi Heim wohnt in Bümpliz.

Sie ist wandelbar, bleibt sich aber selbst treu

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Die im Kleefeld wohnende Künstlerin Martine Ulmer arbeitet an unterschiedlichen Projekten, unter anderem an internationalen Animationsfilmen. Soeben hat sie mit dem Ensemble Zefirino das Wimmelbuch «Maestro Mozart – Eine turbulente Nachtmusik» herausgegeben.

Der Arbeitsplatz von Martine Ulmer an der Weyermannsstrasse 28 ist nicht einfach zu finden. Sie empfängt uns im Parterre der verwinkelten «Denk- und Kreativfabrik» und führt uns zu ihrem hellen Computer-Arbeitsplatz, wo sie Untermieterin ist. In der ruhigen Cafeteria im Untergeschoss bewirtet uns Martine Ulmer mit Kaffee und Gipfeli – ein sympathischer, stärkender Einstieg in ein spannendes Gespräch.

Neue Ziele
Ursprünglich Primarlehrerin in Burgdorf, heute freischaffende Künstlerin – wie kam es dazu? «Ich unterrichtete leidenschaftlich gerne. Aber ich hatte das Gefühl, mit den Kindern ein Flugzeug zu packen und nach zwei Jahren sah ich sie abdüsen in neue Projekte. Für mich begann alles wieder von vorne, wiederholte sich», blickt Martine Ulmer zurück. Sie hatte aber keinen Burnout, sondern einfach das Verlangen, nach neuen Ufern aufzubrechen. Schon als kleines Kind zeichnete und malte sie mit Begeisterung, und so lag es nahe, dass Martine ihre berufliche Zukunft in der visuell gestaltenden Kunst sah.

Sie besuchte den gestalterischen Vorkurs an der Hochschule Luzern. «Am Informationstag zu diesem Vorkurs schauten wir uns kleine Animationsfilme an – dann war es um mich geschehen. Ich wusste: Da will ich hin!» Es folgte die dreijährige Weiterbildung zum Bachelor of Arts in visueller Kommunikation und danach arbeitete sie unter anderem ein Jahr lang in Zagreb am Dok- und Animationsfilm «Chris the Swiss» von Anja Kofmel. Diese Mitarbeit bezeichnet Martine Ulmer heute als eines ihrer bisherigen Lieblingsprojekte.

Von digital bis Daumenkino
Martine Ulmers Kerngeschäft ist Zeichnen, «wobei ich die humorvolle Illustration bevorzuge», ergänzt sie mit breitem Lachen. Das sind keine Worthülsen, in ihren Augen leuchtet stets der Schalk. Das sei gerade das Coole an ihrem Beruf: «Ein Jahr lang mache ich Animationen, dann wieder Illus-trationen. Grundsätzlich bin ich neugierig und offen für alles», betont sie. Offen war sie auch gegenüber dem Wunsch einer Kundin, ein Daumenkino zu zeichnen, «für mich ein Novum, denn ich arbeite ausschliesslich digital.»

Ihr Kunden-Portfolio ist vielseitig: Privatpersonen, die eine Illustration für einen Flyer benötigen. «Als Honorar erhalte ich dann eine Flasche Wein», lacht sie. Aber auch Werbeaufträge wie unlängst von der Uni Bern für die Berufswerbung für Professorinnen gehören zu ihrem Auftragsvolumen. Martine Ulmer hat sich in den zehn Jahren ihrer Selbstständigkeit ein solides Netzwerk aufbauen können, die meisten Aufträge erhält sie durch Empfehlung. Auf Instagram ist sie aktiv, besucht regelmässig Weiterbildungen, um stets technisch à jour zu bleiben.

Kein «Ulmer-Stil»
Wer die vielen Arbeiten von Martine Ulmer betrachtet, stellt bald einmal die verschiedenen Illus-trationsstile fest, es gibt nicht «den» Martine Ulmer-Stil. Wenn sie beispielsweise einen Animationsfilm erstelle, arbeite sie mit vorgegebenen Zeichnungen und passe sich dem jeweiligen Stil an, erklärt sie. «Es ist für mich ein Kompliment, wenn man mich in meinen Zeichnungen nicht sofort erkennt. Beim Mozart-Buch bin ich mir am nächsten, das ging mir schnell von der Hand», erzählt die Künstlerin. «Ja, ich bin wandelbar, bleibe mir aber selber stets treu!» Sie liebt Dinge, die sie herausfordern, auch wenn sie sich manchmal überwinden muss, «wie zum Beispiel beim Daumenkino», fügt sie lachend hinzu, «aber das hält mich wach.»

An Bümpliz gefällt der Kleefeld-Bewohnerin die multikulturelle Zusammensetzung der Bevölkerung, die Architektur der Blocksiedlungen. «Wenn ich mit dem Velo vom Europaplatz gegen Bümpliz fahre, fühle ich mich zuhause. Ich könnte mir sogar vorstellen, hier alt zu werden», schliesst die 42-Jährige ihr Lob.

Einfach erklärt
Im Kleefeld wohnt die Künstlerin Martine Ulmer. Sie zeichnet unter anderem für Animationsfilme, aber auch für kleine, private Aufträge. Sie macht die Zeichnungen für das neue Kinderbuch «Maestro Mozart».

Bümpliz trifft Ghana – auf den Spuren der Basler Mission

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Vom 5. bis 19. August 2023 organisiert die Reformierte Kirchgemeinde Bümpliz eine spannende Reise, bei der sie das Basler Missions-Erbe sowie eine lebendige Kirche vermittelte. «Akwaaba» – willkommen in Ghana, in einer traumhaft schönen Landschaft. Pfarrerin Susanne Berger und Pfarrer Hans Roder erzählen von der damaligen Arbeit.

Warum reisen Sie gerade nach Ghana? Die Mission 21 ist ja weltweit in 20 Ländern tätig.
Susanne Berger:
Ghana war eines der ersten Missionsgebiete vor 200 Jahren. Die Mission 21 wollte 2015 zum Jubiläum selbst die Reise nach Ghana organisieren, musste sie dann wegen einer Epidemie absagen. Ghana ist eines der wenigen Länder Afrikas, das als stabil gilt. Es eignet sich daher als Reiseland.
Hans Roder: Ja, die demokratischen Strukturen funktionieren recht gut. Wirtschaftlich besteht ein Unterschied zwischen dem Norden und dem Süden. Auf der Reise besuchen wir den wirtschaftlich fortschrittlicheren Süden.

Nun sind in der breiteren Öffentlichkeit die Missionen etwas negativ konnotiert. Worauf ist das zurückzuführen?
Hans Roder:
Gewiss, es gab verschiedene Formen von Missionen. Die Missionare kamen zusammen mit den spanischen und portugiesischen Eroberern nach Südamerika, Schwert und Bekehrung waren eng miteinander verknüpft. Es war die Zeit vor der Reformation. Der römisch-deutsche Kaiser proklamierte den Anspruch «ein Reich, ein Kaiser, ein Gott, eine Religion». Es ging um Macht und Herrschaft. Aber es gab immer Priester, die Widerstand leisteten und die Gewaltherrschaft als nicht-christlich ablehnten. Die Basler Mission kam erst viel später, um 1828, nach Ghana, um dort die Frohe Botschaft zu verkünden. Es ist sicher richtig, dass wir die Missionsarbeit kritisch betrachten müssen. An der Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen in Karlsruhe im September traf ich einen der Leiter der Presbyterianischen Kirche von Ghana, der sich sehr lobend über die Arbeit der Basler Mission äusserte. Dort wurde sehr viel aufgebaut, was bis heute Bestand hat. Die Mission schuf die Grundlagen des modernen Ghana, sowohl wirtschaftlich, in der Bildung als auch im Gesundheitswesen.
Susanne Berger: Es geht bei dieser Reise um eine aktive Auseinandersetzung mit der Missionsarbeit. Es herrscht vielerorts auch die Meinung, die Mission habe der Bevölkerung ihr Kulturgut abgewertet und unseres überstülpt. Das ist teilweise wohl auch so geschehen. Aber man darf nicht vergessen, dass daraus ein funktionierendes Sozialwesen entstanden ist.
Hans Roder: Die Missionare kamen vor 200 Jahren ins Land mit der Haltung, dass vor Gott alle Menschen gleich seien. Aber sie betrachteten die afrikanische Kultur als minderwertig und unsere als überlegen. Interessant ist aber, dass sie genau gegenteilig handelten! Es war ihnen bewusst, dass sie das Evangelium nur verkünden konnten, wenn sie die einheimischen Sprachen verstehen und sprechen konnten. Die Missionare lernten die lokalen Dialekte von Grund auf, sammelten Sprichwörter. Sprache ist immer auch Kultur. Sie sorgt dafür, dass die Kulturen überhaupt erhalten blieben. Die Kolonialherren waren die Engländer, die nur Englisch duldeten. Die Schweizer Missionare waren aber nicht von den Kolonialherren abhängig und setzten sich dafür ein, dass in den Schulen in den lokalen Dialekten unterrichtet werden durfte. Das Ziel der Mission war immer, eine eigenständige Struktur aufzubauen, welche die Bevölkerung auch wirtschaftlich unabhängig machen sollte, also Hilfe zur Selbsthilfe.

Warum haben Sie für die Ghana-Reise einen deutschen Reiseveranstalter gewählt?
Susanne Berger:
Ich machte mit diesem Reiseveranstalter auf früheren Bildungsreisen gute Erfahrungen mit sehr kompetenten Reiseleitungen. Der Veranstalter «Tour mit Schanz» hat sich auf Reisen mit kirchlichem Bezug spezialisiert. Es ist nicht eine rein touristische Reise, sondern wir nehmen damit einen Erwachsenenbildungs-Auftrag wahr.

Die Weihnachtsmänner waren am Werk

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Am 24. November fuhr auch dieses Jahr der Kranwagen in der Fussgängerzone auf. Die drei «Weihnachtsmänner» Luigi Brenca, Ueli Jaisli und Patrizio Panicali installierten rund 900 Lämpchen in der Bümplizer Fussgängerzone.

Bereits zum dritten Mal in Folge erstrahlt die Fussgängerzone seit dem ersten Adventssonntag in weihnächtlichem Glanz. Verantwortlich für die beliebte Beleuchtung sind wiederum die beiden Initianten, SVP-Stadtrat Ueli Jaisli und Fahrzeugelektroniker Luigi Brenca. Auf den ersten Blick präsentiert sich die Einkaufspassage im Ortszentrum wie letztes Jahr: 900 Lämpchen hangeln sich von Baum zu Baum und bilden eine kompakte Lichterkette und beim Restaurant Sternen leuchtet erneut ein grosser Weihnachtsstern.

Wasserdichte Abzweigdosen
«Der Teufel liegt bekanntlich im Detail», sagt Chef-Weihnachts-Elektriker Luigi Brenca. «Auf Geheiss des EWB mussten wir dieses Jahr alle Abzweigdosen wasserdicht machen, was für die Passanten nicht ersichtlich ist, aber für uns mit Mehrarbeit und -kosten verbunden war. Aber Sicherheit geht vor», schmunzelt Brenca und Jaisli nickt zustimmend.

Auf Spenden angewiesen
Jaisli und Brenca leisten finanziellen Vorschuss, bis Spendengelder und der von der Stadt Bern gesprochene Zustupf eintreffen. So entstehen Kosten für das Kranfahrzeug für den Auf- und Abbau, für die Spezialbänder zwecks schonender Befestigung an den Bäumen, für die Ersatzlämpchen, die Lagermiete, die Umrüstung zu wasserdichten Abzweigdosen. «Freundlicherweise stellt uns dieses Jahr die Dosenbach-Filiale kostenlos den Stromanschluss zur Verfügung», freut sich Brenca. Neu sei in diesem Jahr auch, dass die Weihnachtslämpchen nicht mehrf über die Strassenbeleuchtung geschaltet seien, sondern über den Dämmerungsschalter, ergänzt Brenca.

Die drohende Stromknappheit macht auch vor den Überlegungen der Weihnachtsbeleuchter nicht Halt: So werden die Lämpchen während der diesjährigen Adventszeit voraussichtlich um Mitternacht ausgeschaltet. «Das macht Sinn, so können sich die Leute beim nächtlichen Gang nach Hause nochmals erfreuen», ist Brenca überzeugt. Die rund 900 Lämpchen sind allesamt mit der energiesparenden und langlebigen LED-Technologie ausgestattet. Ueli Jaisli rechnet vor: «Bei einem Verbrauch von 1770 Watt pro Woche ergibt das für den sechswöchigen Aushang rund 11’ 000 Watt, was uns Kosten von bloss rund 50 Franken verursacht.»

Starker Aufbau dank viel Routine
Für die Installation der Lämpchen haben die beiden wieder das Spezialfahrzeug mit dem beweglichen Kran gemietet und der Aufbau wurde vom bewährten Trio Jaisli, Brenca und Panicali realisiert, was einen ganzen Vormittag in Anspruch nahm. Wie schon die Jahre zuvor, sass jeder Handgriff. «Vorher wurde alles auf seine Funktionalität hin geprüft. Man kann nicht einfach nach einem Jahr das Material ungeprüft aus dem Keller holen und aufhängen», räumt Brenca ein.

Die Beleuchtung in der Fussgängerzone wird auch noch einige Tage im Januar 2023 nachweihnächtliche Stimmung verbreiten, aber am 12. Januar ist Schluss und die Lichter gehen aus, die Lämpchen werden wieder ein Jahr im Lager schlummern – ohne Leuchtkraft.

Seid ihrer Kindheit sind die Geschwister Noëmi und Nicolas Kuran-Pellegatta vom Tanzen begeistert. Foto: Peter Widmer

Akrobatik, Tanz und die Bühne sind ihr Leben

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Die ersten Tanzschritte versuchte Nicolas Kuran mit sieben Jahren und seine Schwester Noëmi absolvierte als Elfjährige ihre ersten nationalen und internationalen Wettkämpfe. Beide sind im Stadtteil VI aufgewachsen – und dort geblieben.

Tanzten Noëmi und Nicolas Kuran-Pellegatta früher mehr zum Spass miteinander, gilt es seit 2015 ernst: Sie «befreiten» ihre bisher externen Tanzpartnerinnen beziehungsweise -partner und versuchten es fortan zusammen. Mit Erfolg, wie sich zeigen sollte. «Als Geschwister kennen wir uns in- und auswendig, haben eine stärkere, verbindende Basis des Vertrauens», begründet Nicolas das tänzerische Zusammengehen. Es sei wichtig, bei der Akrobatik absolut hochkonzentriert zu arbeiten, «sonst wirds lebensgefährlich!»

Durch ihre drei älteren Geschwister machte die heute 24-jährige Noëmi schon sehr früh mit dem Tanzen Bekanntschaft. «Es hat mich mega gepackt», erzählt sie begeistert. Mit ihren früheren Tanzpartnern wurde sie mehrmals Schweizermeisterin bei den Junioren. Ihr älterer Bruder Nicolas war nicht weniger «angefressen» und begann mit sieben Jahren zu tanzen. Seinen ersten Wettkampf bestritt er an seinem neunten Geburtstag. Mit Tanzpartnerin Melanie Weber aus Bümpliz wurde er zehnmal Schweizermeister. «Bei Akrobatik Rock’n’Roll fasziniert mich die Mischung aus Akrobatik und Tanz. Trotz höchster physischer und psychischer Konzentration und Anspannung vermitteln wir Gefühle und eine Botschaft», sagt Nicolas. So wählen die Akrobatik- und Tanzartisten im Final eines Wettkampfes die Musik selber aus, beim Tanz beispielsweise zum Thema «Aladin und die Wunderlampe» aus den Märchen «1001 Nacht» oder bei der Akrobatik einen passenden Song zu den Reden des US-amerikanischen Bürgerrechtlers Martin Luther King.

Nichts von der Kindheit eingebüsst
Die Eltern hätten sie stets verständnisvoll gefördert, aber nie gedrängt, betonen Noëmi und Nicolas unisono. «So konnten wir auch Kinder sein und unsere Gspänli pflegen. Alles passierte freiwillig, darum haben wir auch heute noch Spass an unseren Betätigungen.» Spass, Begeisterung und Ausdauer gehören dazu, um sich an die Spitze zu tanzen. Die beiden trainieren wöchentlich viermal Akrobatik Rock’n’Roll, zusätzlich kommen dreimal Krafttraining und dreimal Styleacrobats-Trainings hinzu und am Wochenende Wettkämpfe und Shows. Hobbys hätten da kaum mehr Platz, wie die Geschwister einräumen. Seit sich Noëmi und Nicolas in der höchsten Wettkampfkategorie bewegen, werden sie von Jürgen Gesemann trainiert, «fachlich wie menschlich eine Idealbesetzung», rühmen beide ihren Coach.

Nach Highlights befragt, müssen sie nicht lange nachdenken: Sie sind soeben aus Birmingham in den USA zurückgekehrt, wo sie an den World Games teilgenommen und die Silbermedaille geholt haben. Und im Juni 2022 wurden sie an den Europameisterschaften in Neuenburg Vize-Europameister in Akrobatik Rock’n’Roll. Der Palmarès liesse sich beliebig fortsetzen.

Mit «Das Zelt» auf Tournee
Aber auch vor Rückschlägen ist das Geschwisterpaar nicht verschont geblieben. So mussten die beiden aus gesundheitlichen Gründen 2021/22 eine längere Pause einlegen, was sie am wöchentlichen Training hinderte. Im Frühjahr 2022 konnte das Paar das volle Programm wieder aufnehmen. «Für die Teilnahme an den World Games in Alabama blieben uns dann nur noch etwa sechs Wochen Vorbereitung, trotzdem haben wir es auf den zweiten Platz geschafft», sagt Nicolas sichtlich stolz und erleichtert. Als derzeit grösste Herausforderung sehen die beiden die Perfektionierung ihrer Akrobatik.

Wie lange kann man wettkampfmässig physische Höchstleistungen in Akrobatik Rock’n’Roll bewältigen? Ein allfälliges Wettkampfende sehen die beiden zwischen dem 35. und 37. Altersjahr, «auf alle Fälle noch vor 40», sind sie sich einig. Da haben sie noch etwas Zeit. Ihre Zukunft bereitet ihnen kein Kopfzerbrechen. Zurzeit sind sie mit der vierköpfigen Artistengruppe «Styleacrobats» mit «Das Zelt» auf Tournee. Erstmals zeigten sie dieses Programm im Bümplizer Sternen-Saal und auch das ständige Trainingslokal, das Fitnesscenter «Fitalis», befindet sich im Stadtteil VI. Zudem müssen sich die beiden ausgebildeten Primarlehrpersonen beim zurzeit herrschenden Lehrkräftemangel keine Sorgen machen. 

Infos und Engagements: www.styleacrobats.ch, info@styleacrobats.ch, 078 928 72 76

Zur Person
Noëmi Kuran-Pellegatta
, geboren am 24. Juli 1998, ist in Bethlehem aufgewachsen. An der Pädagogischen Hochschule in Bern bildete sie sich zur Primarlehrerin aus. Zurzeit arbeitet sie als Teilpensen-Lehrerin in Bethlehem. Noëmi Kuran ist ledig und wohnt im Holligen-Quartier.

Nicolas Kuran-Pellegatta wurde am 9. November 1993 geboren und wuchs in Bethlehem auf. Der ausgebildete Primarlehrer arbeitet seit 2016 vollberuflich als Tänzer und Tanzlehrer. Zudem leitet er das Modul «Tanz» an der Universität Bern. Nicolas Kuran ist ledig und lebt in Bethlehem.

Das Geschwiser-Duo zeigte an den World Games in den USA sein Können. Foto: zvg
Michael Lüthi organisiert seit fünf Jahren den Bümpliz-Märit. Foto: Peter Widmer

«Der Märit ist ein Spiegelbild des Bümplizer Gewerbes»

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Am 3. September 2022 ist es soweit: Der Bümpliz-Märit mit 51 Ständen findet von 08.30 bis 17 Uhr in der Fussgängerzone Bümpliz statt. Michael Lüthi, Vorstandsmitglied von KMU Bern West, organisiert den Traditionsanlass zum fünften Mal.

Wie ist der Organisationsstand zum Bümpliz-Märit 2022?
Am 10. August machte ich auf dem Märitareal in der Fussgängerzone eine Begehung, habe auf beiden Strassenseiten zusammen mit meinem Lernenden alles ausgemessen und erstellte die Einteilung aller Stände. Bei der Einteilung berücksichtigte ich nach Möglichkeit die Wünsche der Teilnehmenden. Bis zum Anmeldeschluss am 15. Juli hatten sich erst etwa 70 Prozent der Angeschriebenen angemeldet. Die Restlichen musste ich erinnern, aber das erachte ich als normal, das Prozedere wiederholt sich jedes Jahr.

Was ist noch bis zum 3. September zu tun?
Mit dem Elektriker werde ich noch schauen, wohin die Leitungen gezogen werden müssen. Dann werden die Standbetreiber schriftlich über ihren Standort orientiert, inklusive Rechnungsstellung. Weiter werde ich noch mit der Stadt Bern korrespondieren bezüglich der definitiven Einteilungen. Es ist halt immer viel Kleinkram, den es zu erledigen gilt.

Seit wann organisieren Sie den Märit?
Den ersten Bümpliz-Märit organisierte ich 2017. Es ist in diesem Jahr der fünfte Märit, für den ich hauptverantwortlich bin. Wegen Corona fand 2020 keine Ausstellung statt.

Wieviele Märit-Stände sind in der Fussgängerzone vertreten?
Nach heutigem Stand der Anmeldungen werden wir 51 Stände haben.

Mit welchen Branchen?
Alles. Der Märit ist ein Spiegelbild des Bümplizer Gewerbes: Polizei, Autohandel, Versicherungen, Gewerkschaft, politische Parteien, Gastronomie, Schmuck, Bäcker, Gärtner. Auch Musik wird zu hören sein. Sogar Alphorntöne werden erklingen, was in der Fussgängerzone ja nicht gerade alltäglich ist.

Wer kann mitmachen?
Es gibt grundsätzlich keine Beschränkungen zur Teilnahme. Bei den Verpflegungsständen schaue ich hingegen, dass beispielsweise nicht zwei Betreiber genau dieselben Mahlzeiten anbieten. Aber sonst ist es kein Problem, wenn mehrere Mitbewerber der gleichen Branche mitmachen. Im Gegenteil: Wettbewerb belebt und die Besucherinnen und Besucher haben Vergleichs- und Wahlmöglichkeiten.

Ist es schwierig, für den Märit Firmen zu finden?
Ja und nein. 2021 gestaltete sich die Akquisition harzig und in diesem Jahr bin ich überrascht. Wir haben etwa sieben Teilnehmende, die noch nie mitgemacht haben. Ich hatte 2021 den grösseren Aufwand für weniger Stände als in diesem Jahr mit 51 Ständen.

Sind es in etwa immer die gleichen Teilnehmer?
Etwa 50 bis 60 Prozent bilden den harten Kern, der Rest ist – etwas burschikos gesagt – Manövriermasse.

Gibt es eine obere Grenze der Platzgrösse?
Nein, wobei ich natürlich nicht einem Stand 50 Meter reservieren könnte! Im Jubiläumsjahr 2019 stellte die Holz-Zollhaus AG einmalig aus und kam mit einem 25 Meter langen Stand. Dieser beanspruchte den ganzen Platz vor dem Coop-Gebäude. Heute ist dort der Gärtner mit seiner Pflanzenwelt platziert.

Sind die Betreiber frei in der Gestaltung ihres Standes?
Der Betreiber muss seinen Stand anschreiben, es muss klar ersichtlich sein, um wen es sich handelt. Die Verpflegungsstände müssen zudem unser Abfallreglement einhalten. Oder es muss beispielsweise mindestens ein Getränk günstiger sein als ein alkoholisches, das wird von der Stadt Bern überprüft. Bei den Mietständen darf nichts mit Reissnägeln befestigt werden. Aber die Aussteller können einen eigenen Stand oder ein Zelt aufstellen, da gibt es keine weiteren Vorschriften.

Was erweist sich als grösste Knacknuss bei der Organisation?
Mit den fast jährlichen Änderungen in der Fussgängerzone erweist sich die Platzeinteilung als grösste Herausforderung. Auch stelle ich fest, dass der Papierkrieg im Zusammenhang mit Bewilligungen in den letzten Jahren zugenommen hat.

Ist der Bümpliz-Märit in seiner heutigen Form noch zeitgemäss?
Ja, davon bin ich überzeugt, obwohl heute viele Produkte online bestellt werden. Aber gerade deswegen und nicht zuletzt auch durch Homeoffice wird der persönliche Kontakt geschätzt und wieder wichtiger, wenn auch mehrheitlich von Personen mittleren Alters. Die steigende Anzahl der Märit-Stände belegt, dass das Interesse ungebrochen und sogar noch gestiegen ist.

Zur Person
Michael Lüthi
, geboren 1981, wuchs in Bern-Bethlehem auf. Der gelernte Augenoptiker führt seit 2001 – zuerst noch zusammen mit seiner Mutter – das Hauptgeschäft in Bümpliz. In Neuenegg betreibt LüthiOptik eine Filiale. Michael Lüthi ist verheiratet, hat drei Kinder und wohnt in Galmiz.